Braucht es einen weiteren Rücksetzer für die Bodenbildung?

Die Lage an den Börsen hat sich im April deutlich beruhigt. Bei den Aktienmärkten sind es weiterhin die Zentralbanken, die für Stabilität sorgen. Führt darum auch weiterhin kein Weg an Aktien vorbei?

Text: Adriano B. Lucatelli

Im April stellte sich eine deutliche Beruhigung des Börsengeschehens ein. Die Erholung der Rohölpreise – die sich einstellte trotz der Unfähigkeit der ölexportierenden Länder, die Fördermenge zu drosseln – und die verbesserten globalen Konjunkturdaten, welche die Rezessionsängste etwas entkräfteten, waren die Hauptursachen. Aber auch der schwächere US-Dollar hat zur positiven Stimmung an den Börsen beigetragen, von der vor allem Schwellenländeranlagen profitierten.

Der Schweizer SMI wiederum hinkte den grossen Indizes hinterher. Es wäre aber falsch, aus der mageren Performance von –8,4 Prozent seit Dezember 2015 abzuleiten, dass es den Schweizer Firmen schlecht gehe. Die Underperformance lässt sich hauptsächlich auf die spezielle Gewichtung des Index zurückführen: die Pharma- und Finanztitel machen nämlich rund 58 Prozent aus.

Bei den Anleihen hat sich der Trend zu höheren Risiken trotz steigender Ausfallsraten fortgesetzt. So war die Rendite von US-Hochzinsanleihen so niedrig wie seit 2010 nicht mehr. Und in Europa betrug die Verfallrendite von Schrottpapieren weniger als 5 Prozent, nachdem sie zum Jahresbeginn noch bei rund 6,5 Prozent stand. Bewertungsseitig sind die Spreads der Euro-Anleihen zwischenzeitlich deutlich zu moderat.

Aber auch die Renditen globaler Staats- und Firmenobligationen mit Investment Grade haben deutlich nachgegeben und liegen um 1,3 Prozent. Die Hauptgründe sind auch hier die Erholung des Erdölpreises und die expansive Geldpolitik weltweit.

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Wie geht es weiter? Bei den Aktienmärkten sind es weiterhin die Zentralbanken, die für Stabilität sorgen. Solange die Notenhüter die stützende Geldpolitik fortsetzen und die Versäumnisse in der Fiskalpolitik wettmachen, scheint eine grosse Krise unwahrscheinlich. Gegenwind könnte allenfalls von neu entfachten Sorgen um die Wachstumsperspektiven einiger Schwellenländer – vornehmlich Chinas –, den Unsicherheiten über den Verbleib Grossbritanniens in der EU («Brexit»-Abstimmung am 23. Juni 2016) oder den jüngsten, vorsichtigeren Gewinnaussichten kommen. Eines steht aber fest: Die Märkte werden anfälliger auf geopolitische Risiken, sobald die Fed ihre volatilitätsdämpfende Geldpolitik zurückfährt.

Der Euro-Anleihenmarkt wird weiterhin vom ausgeweiteten EZB-Kaufprogramm profitieren. Bei den US-Treasuries ist hingegen Vorsicht geboten. Insbesondere langfristige Anleihen erscheinen anfällig auf eine kurzfristige Erhöhung der Inflation. Hier könnte man allenfalls auf inflationsgeschützte Papiere ausweichen.

Bei den Währungen fällt der kräftig gestiegene Yen auf, während das britische Pfund unter der Unsicherheit im Zusammenhang mit der Brexit-Abstimmung leidet. Der US-Dollar wiederum schwächelte aufgrund der momentanen Zurückhaltung der amerikanischen Notenbank, wobei wir überzeugt sind, dass hier eine Bodenbildung stattgefunden hat.

Nachdem die Gespräche in Doha über eine Förderbegrenzung ergebnislos abgebrochen wurden, dürften die Ölnotierungen wieder stärker schwanken. Dass sich der Ölpreis nach einem kurzen Taucher wieder auf über 40 US-Dollar pro Fass stabilisieren konnte, deutet aber zumindest darauf hin, dass auf diesem Preisniveau ein neuer Supportlevel gefunden wurde. Trotzdem bleiben wir gegenüber einer allfälligen weiteren Aufwärtsbewegung skeptisch.

Der Goldpreis dürfte sich in den kommenden Wochen weiterhin gut entwickeln, doch könnte der Schwung im weiteren Jahresverlauf etwas nachlassen. Dies, weil wir in den USA für Juni oder Juli dieses Jahres eine Zinserhöhung erwarten. Auch Silber erfreut sich grosser Beliebtheit und hat seit Jahresbeginn sogar stärker zugelegt als Gold.

Bei den Immobilien scheint im Augenblick die Luft draussen zu sein. Zu stark sind die Preise in den letzten Monaten in die Höhe geschnellt und zu gross sind somit die Bewertungsrisiken geworden. Als Alternative kommen allenfalls Infrastrukturtitel in Frage.

In ruhigerem Fahrwasser und bei negativen Zinsen könnte sich in den Aktienmärkten bald wieder das Thema durchsetzen, das bereits in den letzten Jahren vorherrschte: TINA – There Is No Alternative … to equity.

 

Der Ökonom Adriano B. Lucatelli ist Unternehmer, hält verschiedene Verwaltungsratsmandate und ist Dozent an der Universität Zürich. Lucatelli verfügt zudem über langjährige Erfahrung in verschiedenen Bereichen von Schweizer Grossbanken und hat mit Erfolg ein Schweizer Wertpapierhaus auf- und ausgebaut. Neben der Fliegerei nennt der lizenzierte Helikopterpilot Tennis und politische Literatur zu seinen Hobbys. 

Disclaimer: Die gemachten Prognosen und Aussagen über die Finanzmärkte widerspiegeln die persönliche Meinung von Adriano B. Lucatelli zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können sich jederzeit verändern. Verweise auf bestimmte Wertpapiere, Vermögensklassen oder Finanzmärkte dienen nur zu Illustrationszwecken und sollten nicht als Beratung oder Empfehlung in Bezug auf den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren verstanden werden.


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