Dem Mythos Dividende auf der Spur

Hohe Dividendenausschüttungen sind das Mass aller Dinge – so zumindest die Meinung vieler Anleger. Doch die Auswahl des passenden ETF ist durchaus knifflig.

Text: Barbara Kalhammer

Dividenden-Strategien erfreuen sich anhaltender Beliebtheit, allen voran bei US-Anlegern. Doch angesichts der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken und der erschwerten Renditesuche steigt das Interesse an den Ausschüttungen auch in Europa. Die Dividendenpapiere finden vermehrt Anklang und korrelieren mit den Mittelzuflüssen in Investment-Grade Bonds – BlackRock nennt diesen Prozess «Bondification of Equities». Bis Ende Juli flossen mehr als 15 Milliarden Dollar in die Dividendenprodukte, insgesamt 14 Prozent der Zuflüsse aller Aktien-ETF. Alles in allem sind bereits mehr als 87 Milliarden Dollar in Dividenden-ETF investiert, das entspricht 5,7 Prozent aller Aktienprodukte. Zyklische Wertpapiere dagegen standen auf den Verkaufslisten der Anleger.

Doch lohnen sich Investitionen mit Fokus auf Dividenden tatsächlich? Glaubt man zahlreichen Studien, dann machen sie bei einer langfristigen Anlage einen grossen Teil der Erträge aus. Je nach Studie, Anlageregion und betrachtetem Zeitraum schwankt der ermittelte Anteil am Gesamtertrag für den Anleger zwischen 33 und 58 Prozent, heisst es im ETF-Newsletter der Börse Stuttgart. Besonders in Zeiten von tiefen Zinsen sind Dividenden eine interessante Alternative.

In der Schweiz schütteten die SMI-Unternehmen 2013 insgesamt rund 31 Milliarden Franken aus, rund zwei Milliarden Franken mehr als im Vorjahr. Die durchschnittliche Dividendenrendite beträgt somit drei Prozent. Wie stark das Dividendenwachstum in der Schweiz ist, zeigt ein Vergleich des SMI mit dem SMIC. Da der Schweizer Leitindex ein Preisindex ist, sind keine Dividenden enthalten. Der SMIC hingegen zeigt die Entwicklung des Barometers inklusive Unternehmensausschüttungen. Mit Sicht auf der vergangenen fünf Jahre erzielte der SMI ein Plus von 40 Prozent, der SMIC hingegen stieg mehr als 65 Prozent.

Fokus auf Wachstum

Angesichts dieser Entwicklungen ist es nachvollziehbar, dass die Zahl der ETF auf Dividendenindizes kontinuierlich wächst. In der Schweiz stehen bereits mehr als 15 solcher Produkte zur Auswahl. Zumeist erfolgt die Berechnung der Barometer nach unterschiedlichen Methoden. Die Frage ist, ob die Strategien in der Praxis überzeugen. Gemäss einer Studie von Hinder Asset Management sollten Anleger keine Renditewunder erwarten.

Zwischen 2007 und 2012 konnten Dividendenstrategien die klassischen Barometer nicht übertreffen. Grund dafür ist, dass die Produkte zu Beginn der Periode noch stark in Finanzwerte investiert waren. Diese glänzten noch vor wenigen Jahren mit hohen Ausschüttungen. Doch mit dem Ausbruch der Finanzkrise stürzten Aktienkurse, Konzerngewinne und damit auch die Dividendenzahlungen ab. Dennoch gab es laut Hinder Produkte, die in der untersuchten Periode besser abschnitten; nämlich Strategien, die als Kriterium das Dividendenwachstum von Unternehmen berücksichtigen.

Bekanntes Beispiel dafür sind die S&P-Aristocrats-Indizes auf unterschiedliche Märkte wie Schwellenländer, Amerika und Europa. Zu den Aristokraten zählen je nach Index nur jene Unternehmen, die ihre Dividenden über einen gewissen Zeitraum konstant hielten oder erhöhten. Aber auch bei den Stoxx-Dividend-Indizes finden sich nur Unternehmen, die ihre Dividenden in den vergangenen fünf Jahren nicht gesenkt haben und nicht mehr als 60 Prozent des Gewinns ausschütten.

Damit wird vor allem der Nachhaltigkeit der Ausschüttung aber auch fundamentalen Gesichtspunkten Rechnung getragen. Im Vordergrund steht ein gesundes Unternehmen mit einer stabilen Dividende, nicht Firmen mit einmaligen astronomischen Ausschüttungen.

Zinseszins nicht vernachlässigen

Die höheren Renditen von Unternehmen mit Dividendenwachstum zeigen sich auch eindrücklich in der Grafik. Unternehmen, die zwar Dividenden ausschütten, aber ihre Grösse nicht erhöhen, liegen etwa gleichauf mit dem Markt. Firmen hingegen, die die Ausschüttungen kontinuierlich anheben, schneiden bedeutend besser ab. Der durchschnittliche jährliche Kapitalzuwachs setzt sich jeweils zusammen aus Kursgewinn und Dividende. Anleger hätten über 40 Jahre somit durchschnittlich eine Rendite von knapp 10 Prozent erzielt.

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Anleger profitieren aber nicht nur vom Dividendenwachstum, sondern auch vom Zinseszinseffekt, da die ausgeschütteten Dividenden wieder reinvestiert werden. Dies führt zu einer deutlichen Ertragssteigerung. Doch nicht alle ETF reinvestieren den Betrag. Bei Preisindizes werden die Dividenden ausgeschüttet und direkt auf dem Konto des Anlegers gutgeschrieben. Es gibt jedoch keine Regelung zum Zeitpunkt der Ausschüttung.

Dies kann zu Renditeunterschieden führen, einem sogenannten Dividend Drag. Die Dividenden werden also nicht immer sofort ausgeschüttet, sondern bis zum Ausschüttungstag kumuliert. Dadurch verändert sich der Nettoinventarwert (Net Asset Value, NAV), was wiederum die Preisbildung beeinflusst, die sich am NAV orientiert.

Das Ansammeln von liquiden Mitteln beim Dividend Drag führt zu einem Tracking Error. Dieser zeigt sich später in einer Differenz von ETF- und Index-Kurs. Bei Performance-Indizes hingegen werden die Ausschüttungen in der Regel thesauriert. Doch auch hier kann es zu einem höheren Tracking Error kommen. Denn nicht alle Zahlungen und Reinvestitionen erfolgen am Ex-Tag, dem Tag an dem die Aktien erstmals ohne Dividende gehandelt werden.

In der Regel werden Dividenden mit Verzug gezahlt, heisst es in einer Studie der Frankfurter School of Finance & Management Banking. Nach Angaben der Deutschen Bank entspricht dieser Verzug im Durchschnitt 22 Tage bei amerikanischen, 38 Tage bei britischen und sogar 74 Tage bei japanischen Aktien. Dieser zeitliche Verzug der Reinvestition kann besonders in steigenden Märkten zu Performancenachteilen gegenüber dem Index führen. Gemäss der Studie führt dieser Effekt bei traditionellen ETF zu einem durchschnittlichen Tracking Error von 0,08 Prozent.

Aktiver Charakter 

Anleger sollten das jeweilige Barometer mit Bedacht auswählen. Beabsichtigen sie die Wiederanlage der Ausschüttungen, ist ein Performance-Index die richtige Wahl, denn durch den Kauf neuer Papiere entstehen zusätzliche Kosten. Natürlich spielt auch die steuerliche Komponente eine Rolle. Bei Performance-Barometern wird zwischen Total-Return-, Net- und Total-Return-Gross-Indizes unterschieden.

Im Net-Index wird eine mit dem durchschnittlichen Quellensteuersatz belastete Nettodividende hinzugerechnet. Beim Gross-Index erfolgt die Addition der Ausschüttung zur Indexrendite vor Steuern Im günstigsten Fall kann der ETF die gesamte Dividendenbesteuerung zurückholen. Ebenfalls beachtet werden sollten die Gewichtungsmethode sowie die Zusammensetzung.

Natürlich haben ETF, die bei der Indexkonstruktion fundamentale Kriterien oder eben das Dividendenwachstum berücksichtigen, einen aktiven Charakter. Manch einer wird sich nun fragen, ob er nicht mit einem Fonds besser beraten wäre. Abgesehen von den höheren Kosten gibt es diesbezüglich jedoch grosse Unterschiede. Die Ratingagentur Scope hat 15 aktiv gemanagte Fund weltweit investierte Dividenden-Fonds mit dem von ETF abgebildeten Dow Jones Global Select Dividend TR Index über einen Zeitraum von acht Jahren verglichen. Die passive Strategie erzielte ein Plus von 6,6 Prozent pro Jahr, während die aktiven Fonds 5,2 Prozent lieferten.

Spannend sind jedoch die Ergebnisse nach Marktphasen. Aktive Fonds konnten ihre Stärken vor allem in fallenden Marktphasen ausspielen und die Verluste begrenzen. In Bullenmärkten hatten hingegen die ETF die Nase vorn. Das Résumé von Scope: Die Wahl des Indexkonzepts für Dividendeninvestments hängt vor allem von der Risikoaversion des Investors ab. Wer mit einer höheren Volatilität leben kann, hätte mit ETF die höheren Renditen erzielt.


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