Der Halloween-Effekt

Noch könnte der eine oder andere Herbststurm durch die Börsensäle fegen. Doch der «Halloween»-Effekt verspricht Besserung – das legen zumindest einige Untersuchungen nahe, welche die Kursentwicklungen der letzten Jahrzehnte auf bestimmte Muster absuchen.

Text: Christian Euler
Halloween

Börsianer rund um die Welt schauen dieser Tage beunruhigt in ihre Kalender. September und Oktober gelten landläufig als die schwierigsten Monate im Börsenjahr. Mit einem durchschnittlichen Minus von rund 1,2 Prozent seit 1927 ist der September gar der schwächste Monat für den amerikanischen Dow-Jones-Index. Viele der prägenden Ereignisse und Crashs wie der Zusammenbruch von Lehman Brothers vor zehn Jahren oder der Angriff auf das World Trade Center im Jahr 2001 fanden im September statt.

Am 19. Oktober 1987 wiederum rauschte der Dow Jones um 22,6 Prozent in die Tiefe – und der 24. Oktober 1929 ging als Schwarzer Freitag in die Geschichte ein. An möglichen Anlässen für schwächere Kurse mangelt es auch in diesem Jahr nicht. In Nordkorea provoziert ein Diktator mit Atombombentests – und trifft mit US-Präsident Donald Trump auf ein ebenso unberechenbares Gegenüber. «Bis Ende Oktober bleibt es kritisch an den Börsen», weiss Börsenbriefautor und Verlagsgründer Hans Bernecker aus seiner über 50-jährigen Erfahrung, «denn alle Banken und Finanzinstitutionen müssen ihre Positionen bis zum Jahresende geordnet haben und darauf achten, wie sie ihre Bilanz bis zum Jahrsende gestalten wollen. Dazu gehören Auflösungen von Positionen aller Art. Das gilt seit 1929 immer.»

Mehr als ein Partyspass

Blickt man in die Geschichtsbücher, dürften sich die Gesichter der Marktakteure im November wieder aufhellen. So wird in der Finanzmarktforschung seit langem ein Phänomen diskutiert, das als «Halloween-Effekt» in die Wissenschaft einging: Wer erst Anfang November in den Aktienmarkt einsteigt und im April wieder verkauft, erzielt eine höhere Rendite. Das Wort «Halloween» stammt von «All Hallows Evening», dem Abend vor dem 1. November eines jeden Jahres, und steht für die Volksbräuche am Abend und in der Nacht vor Allerheiligen. Aus dem Fest, das die Kelten im alten England schon vor über 2000 Jahren feierten, wurde heute ein Partyspass mit Monster-Kostümen und Friedhofs-Romantik.

Für die gute Wertentwicklung im November und Dezember machen Experten nicht zuletzt Bonuszahlungen, 13. Monatslöhne und Gewinnverschiebungen ins neue Jahr verantwortlich. Zudem haben viele Pensionskassen und institutionelle Anleger bis in den Januar hinein grössere Beträge anzulegen. Auch steuerlich bedingte Investitionen zählen dazu. Die Genfer Privatbank Pictet hat nachgerechnet, wie sich der S&P 500-Index in der Vergangenheit verhalten hat und dabei bis ins Jahr 1791 zurückgeblickt. Demnach sind in dieser Zeit 100 zwischen November bis April angelegte Dollar bis vor einem Jahr auf 21 430 Dollar an geschwollen. Zum Vergleich: Aus dem gleichen Betrag jeweils zwischen Mai und Oktober angelegt, wären lediglich 433 Dollar geworden.

Halloween

 

Höhere Kundenerwartungen

Auch wenn die nackten Zahlen offensichtlich klar für die eine «Saison-Strategie» sprechen, für Simon Roth von Pictet ist sie eine Neben sache. «Der Halloween-Effekt ist nur einer der so genannten Kalendereffekte. Wichtiger für eine überdurchschnittliche Performance eines Kundenportfolios sind beispielsweise die Zinskurve oder Marktzyklen und die richtige Asset-Allokation, die über einen systematischen Investmentprozess umzusetzen sind.»

Robert Rethfeld vom Börsendienst Wellenreiter Invest verlässt sich lieber auf die Statistik und hat die Entwicklung des Dow Jones seit 1946 unter die Lupe genommen. Demnach ist das bekannteste US-Börsenbarometer zwischen November und April um durchschnittlich 7,1 Prozent gestiegen. Zu einem zweistelligen Verlust kam es nur in den Jahren 1970, 1974 und 2009. Maximal lag das Minus bei 14 Prozent. Dagegen zählte Rethfeld in 30 von 73 Jahren zweistellige Gewinne, mit dem höchsten Plus von 29,8 Prozent im Jahr 1986. «Im Zeitraum Mai bis Oktober standen die Börsen mit einem Plus von 0,4 Prozent praktisch still», berichtet der Studienautor – und folgert daraus: «Die November-bis-April-Periode ist mit einem guten Chance-/Risiko-Verhältnis ausgestattet, die Verlustperioden sind überschaubar.»

Mageres Angebot der Emittenten

Fragt sich, ob der «Halloween-Effekt» auch ausserhalb der US-Finanzmärkte auftritt.

Die Ökonomen Ben Jacobsen und Cherry Y. Zhang von der University of Edinburgh Business School wollten es genauer wissen und haben die Saisonalität der Finanzmärkte gleich in 109 Ländern erforscht. Das Ergebnis ihrer Fleissarbeit mit insgesamt 56 679 monatlichen Beobachtungen: Die durchschnittliche Rendite in den Monaten November bis April lag bei 6,9 Prozent – im Rest des Jahres liess sich lediglich eine Rendite von 2,1 Prozent erwirtschaften.

Wer den «Halloween-Effekt» in seinem Depot umsetzen will, kann dies auch mit strukturierten Produkten tun. Hatten die Emittenten vor Jahren noch unterschiedliche Varianten in ihrer Angebotspalette, müssen sich Anleger mittlerweile mit dem DAXplus Seasonal Strategy begnügen. Der Saisonindex wird von der Deutschen Börse berechnet und hat den Dax in den vergangenen Jahren deutlich abgehängt. Das Börsenbarometer bildet die Entwicklung des deutschen Blue-Chip-Index in den Monaten Oktober bis Juli nach und schickt die 30 darin enthaltenen Werte im August und September in die Ferien. Das Openend-Indexzertifikat auf den DaxPlus Seasonal Strategy-Index der Unicredit (ISIN DE000HV1DB66) holt diese Strategie ins Portfolio.


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