Die fetten Jahre sind vorbei

Die Aktienmärkte notieren auf Rekordmarken. Ist die Zeit reif um auszusteigen? Und wie sieht die Situation bei den Anleihen aus? Dies und mehr im Marktkommentar von Adriano B. Lucatelli.

Text: Adriano B. Lucatelli*

Der vergangene Monat war einerseits gekennzeichnet von der Entscheidung der US-Notenbank, die Bilanz progressiv über Zeit abzubauen, andererseits vom starken Abschneiden der rechtsgerichteten Alternative für Deutschland (AfD) bei den Bundestagswahlen. In der Folge verlor der Euro gegenüber dem US-Dollar an Boden, und die globalen Obligationenmärkte, die wegen restriktiverer Zentralbanken Federn lassen mussten, verloren rund 180 Billionen US-Dollar an Wert.

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Die Aktienmärkte liessen sich hingegen nicht aus der Ruhe bringen. Vielmehr erreichte die globale Aktienmarktkapitalisierung ein neues Allzeithoch. Noch nie waren die Märkte so wertvoll wie gegenwärtig mit knapp 85 Billionen US-Dollar.

Gute Titel sind weltweit nicht mehr billig zu haben, und es gibt auf dieser Bewertungshöhe auch keine Schnäppchen mehr zu ergattern. Trotzdem sollte man sich (noch) nicht von Dividendenpapieren trennen, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die Börsenpreise noch weiter steigen. Hingegen wäre es falsch, vor diesem Hintergrund noch weitere Risiken einzugehen.

Die Anleihenmärkte befinden sich in einer noch gefährlicheren Zone. Die Anleger weigern sich, Obligationen guter Bonität, die nur niedrige bis negative Renditen versprechen, zu kaufen, und gehen auf der Suche nach höheren Renditen zweifelhafte Wetten ein, die bös ins Auge gehen könnten. Oder gibt es einen vernünftigen Grund, eine hundertjährige Anleihe Argentiniens zu kaufen?

An den Märkten geht man davon aus, dass die US-Notenbank im Dezember nochmals an der Zinsschraube drehen wird. Falls dieses Szenario eintrifft, dürfte die US-Währung in den kommenden Monaten die diesjährigen Verluste wieder wettmachen.

Der Kursrückgang des Goldpreises hat sich beschleunigt. Gründe sind die Normalisierung der US-Geldpolitik sowie die Steuerreformpläne von US-Präsident Trump. Wir erwarten, dass der Abwärtsdruck aufgrund eines stärkeren Greenbacks anhalten wird.

Obwohl sich der Erdölpreis auf einem Zweijahreshoch befindet, wird das schwarze Gold wohl wieder Terrain abgeben müssen, denn es ist zu erwarten, dass die Ölfördermengen in den USA weiter ausgebaut werden. Ausserdem rechnen wir damit, dass die Gewinnmitnahmen der professionellen Händler zusätzlich auf den Preis drücken werden.

 

*Der Ökonom Adriano B. Lucatelli ist Co-Founder und CEO von Descartes Finance, einem führenden Robo-Advisor in der Schweiz. Zudem hält er verschiedene Verwaltungsratsmandate und ist Dozent an der Universität Zürich. 

Disclaimer: Die gemachten Prognosen und Aussagen über die Finanzmärkte widerspiegeln die persönliche Meinung von Adriano B. Lucatelli zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können sich jederzeit verändern. Verweise auf bestimmte Wertpapiere, Vermögensklassen oder Finanzmärkte dienen nur zu Illustrationszwecken und sollten nicht als Beratung oder Empfehlung in Bezug auf den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren verstanden werden.


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