Die Schweiz ist mittendrin

Der Jahresauftakt hat viele Anleger auf dem falschen Fuss erwischt. Die Volatilität und die Unsicherheit an den Märkten sind gestiegen. Peter Bänziger, CIO bei Belvalor, wirft einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen und nennt Chancen sowie Risiken der nächsten Monate.

Text: Barbara Kalhammer

Q1 2016 war das schlechteste SMI-Quartal seit 2009. Was ist passiert?

Die Anleger wurden zu Jahresbeginn auf dem falschen Fuss erwischt. Der chinesische Aktienmarkt brach deutlich ein und zog die wichtigsten Märkte mit. In der Schweiz erwiesen sich neben dem globalen Abwärtstrend eine generelle Schwäche der stark gewichteten Pharmaaktien, durch die Frankenstärke teilweise eingetrübte Unternehmensergebnisse und schwache Bankaktien als zusätzliche Belastungsfaktoren.

Die Volatilität und die Unsicherheit an den Märkten sind gestiegen. Wie ist die Stimmung?

Bei Marktkorrekturen schnellt die Volatilität nach oben, mittlerweile ist sie aber wieder deutlich gesunken. Doch die generelle Stimmung der Anleger ist weiterhin negativ.

Was sind die Gründe?

Die geopolitische Situation (Flüchtlingskrise), die Diskussionen um weitere Zinserhöhungen der US-Notenbank, der mögliche EU-Austritt Grossbritanniens und die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen.

Für Sorgenfalten dürften auch die schlechten Aussichten für das globale Wirtschaftswachstum sein.

Durchaus, denn vor knapp zwei Monaten wurden Rezessionsbefürchtungen laut. Davon sind wir jedoch weit entfernt. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass wir uns trotz der geldpolitischen Stimuli und des globalen Abwertungswettbewerbes in einer chronischen Wachstumsschwäche befinden.

Welche Rolle spielt China?

Bezüglich China achten alle mit Argusaugen auf die Wachstumsraten. Diese müssen zwangsläufig zurückgehen, Raten von sieben Prozent sind mittelfristig nicht haltbar. Die chinesische Wirtschaft befindet sich in einer Transformationsphase in Richtung eines höheren Anteils der Dienstleistungen und der Binnenwirtschaft. Doch auch mit einem Plus von vier bis fünf Prozent leistet China weiterhin einen wesentlichen Beitrag zum Weltwirtschaftswachstum.

Wie steht es um die USA, folgt nach dem Zinsschritt nun eine lange Pause?

Wir halten an unserem Szenario fest, dass es maximal zwei weitere Zinsschritte von je 0,25 Prozent bis Ende 2016 geben wird.

Immerhin stehen die USA ja auch besser da als Europa.

Richtig, die USA weisen deutlich höhere Wachstumsraten aus. In Europa bleiben sie trotz der Bemühungen der EZB auf sehr tiefem Niveau. Dynamische Signale kommen erstaunlicherweise aus Spanien. Ich glaube nicht, dass durch die extreme Zinspolitik ein Zusatznutzen entsteht. Da wird nur an einer Schraube gedreht, was zu Verzerrungen an den Märkten und Fehlallokationen führt. Es wären weitere wirtschafts- oder steuerpolitische Massnahmen notwendig.

Welche Auswirkungen hat dieses Umfeld auf die Schweiz?

Wir sitzen mittendrin. Durch die weiter sinkenden Zinsen in der EU könnte die SNB durch tiefere Freigrenzen die Banken hierzulande zwingen, 
Negativzinsen vermehrt an die Kunden weiterzugeben. Vorerst hat man sich davor gescheut. Zwar hat sich der Euro von den Tiefstkursen gelöst, aber die jüngste- Dollarschwäche ist nicht hilfreich. Die Schweizer Unternehmen werden sich mit den neuen Niveaus arrangieren können und müssen. Insgesamt wird das BIP dieses Jahr wohl etwa ein Prozent wachsen.

Positiv sind die Entwicklungen für den Goldpreis. Wird sich der Anstieg fortsetzen?

Ja. Das Edelmetall war Ende 2015 völlig ausverkauft, so dass eine Gegenbewegung zu erwarten war. Diese ist sehr schnell und recht weit gegangen. Ich erwarte vorerst eine Konsolidierung, danach einen flachen Aufwärtstrend.

Ist die Flucht in Gold berechtigt? Immerhin kannten Aktien lange nur eine Richtung und waren teilweise deutlich überbewertet.

Die homogene Hausse der Aktienmärkte war bereits 2015 beendet, die meisten sind jetzt in etwa fair bewertet. Das bedeutet, dass die Anleger in den nächsten drei bis fünf Jahren im Durchschnitt eine Risikoprämie von etwa 5 Prozent verdienen werden. Leider verläuft diese Linie nicht linear. Diese Mehrrendite gegenüber den unattraktiven Obligationen muss weiterhin mit hoher Volatilität erkauft werden.

Worauf müssen sich Anleger nun in den nächsten Monaten einstellen?

Die Selektivität innerhalb der Märkte hat deutlich zugenommen. Auch wenn das Momentum der wichtigsten Indizes noch negativ ist, hat sich die Dynamik innerhalb der Märkte verbessert.

Wie sollten sich Anleger positionieren?

Im Moment gilt es, mit den Wölfen zu heulen. In einem gut diversifizierten Portfolio sollte das Aktiengewicht konzentriert werden auf dividendenstarke Titel in der Schweiz und Europa, die vernünftig bewertet sind und deren Endmärkte weiterhin wachsen. Bei der Auswahl der Unternehmen achten wir speziell auf stabile Margen und darauf, dass die Erträge der Firmen ihre Kapitalkosten nachhaltig übertreffen.

Wie sieht es für die einzelnen Märkte aus?

Die USA bleiben wegen ihrer hohen Technologie-Innovationskraft attraktiv. Die Emerging Markets sind zum Teil deutlich unterbewertet, man kann selektiv Engagements ins Auge fassen in Märkten, in denen der Trend schon positiv ist wie Südkorea und Taiwan.

Schlechte Zeiten erleben Sparer und Obligationen-Anleger. Müssen sie auch weiterhin ohne nennenswerte Erträge leben?

Ja, das ist so. Bei Obligationenanlagen gibt es Nischen, in denen das Ertrags/Risikoverhältnis vernünftig ist und die man den Kernanlagen beimischen sollte. Dazu zähle ich besicherte High-Yield-Anlagen und Schwellenländer-Obligationen in Hartwährungen im Investment-Grade-Bereich.

Dennoch scheinen sich beispielsweise die Banken gegen diese neue Realität zu wehren. Immerhin zahlen sie trotz schlechter Konzernergebnisse hohe Boni.

Das ist leider so. Wenn die Credit Suisse einen Jahresverlust von 2,9 Milliarden Franken ausweist und gleichzeitig Boni von 2,9 Milliarden ausschüttet, dann ist das unverständlich. Die Boni gehen damit vollständig zulasten der Substanz der Aktionäre. Diese sind praktisch die Letzten am Futternapf. Unter der Ausdünnung des Eigenkapitals leiden aber auch die Kreditwürdigkeit der Bank und damit die Kurse der Obligationen. Ein Umdenken wäre dringend nötig.

Trotz des Verlustes werden auch Dividenden ausgeschüttet.

Ja, die CS zahlt eine Dividende in Form einer Kapitalrückzahlung. Doch bevor Boni und Dividenden bezahlt werden, muss überhaupt Geld verdient werden, sprich die Kapitalkosten übertroffen werden, und zwar auf der Stufe der gesamten Unternehmung. Das bedeutet, dass zuerst die Kapitalgeber für ihr Risiko adäquat entschädigt werden sollten. So lange diesbezüglich nichts geändert wird, sollten die Aktien gemieden werden.

Peter Bänziger ist Chief Investment Officer der Vermögensberatungsgesellschaft Belvalor


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