«Ein Indexfonds ist nicht per se besser als ein ETF»

Eine Lagebeurteilung der passiven Investmentwelt: Gespräch mit Marco Strohmeier, Leiter iShares und Index Investing Deutschschweiz.

Text: Rino Borini

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10x10_Die ETF-Volumina wachsen seit Jahren zweistellig. Ist ein Ende in Sicht?

Marco Strohmeier*_Wir sehen kein Ende des Wachstums, im Gegenteil. Vielmehr sehen wir eine Konsolidierung bei Produktanbietern und Produkten.

Ist das ETF-Angebot zu gross?

Es gibt weltweit über 6000 ETF – das ist eine sehr grosse Vielfalt. Letztlich sind ETF ein Skalengeschäft. Rein trendgesteuerte oder taktische Ideen als ETF, die keinen langfristigen Portfoliobeitrag leisten, werden es schwer haben.

Sie bieten aber auch Themen-ETF an.

Unser Anspruch ist es, diese Themenanlagen auf einem fundierten Research aufzubauen und mittels eines innovativen, regelbasierten Indexkonzepts Trends aufzugreifen, die einen langfristigen Anlagehorizont aufweisen. In diese Kategorie fallen für uns Themen wie Demografie, Digitalisierung, Robotertechnik und Innovationen im Gesundheitswesen.

Einen Marijuana- oder Whisky-ETF wird es von Ihnen also nicht geben?

Wir setzen nicht auf trendige Themen mit kurzer Lebensdauer, die sehr eng gefasst sind. Dafür ist ein strukturiertes Produkt mit begrenzter Laufzeit wahrscheinlich die bessere Wahl. Letztlich ist die Gefahr gross, dass ein solches Produkt nach einer Zeit wieder geschlossen wird. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Marktkapazität.

Was heisst das?

Bevor wir ein Produkt an den Markt bringen, finden Stress- und Marktkapazitäts-Tests statt. Hier stellt sich die Frage, ob ein bestimmtes Thema über genügend liquide Titel verfügt und einen ETF verträgt, der über den Börsenhandel potentiell grosse Nachfrage erfährt. Das ist übrigens nicht nur bei Themen so, sondern bei allen Märkten, die wir abbilden, zum Beispiel Schweizer Small-Cap- oder Einzelfaktoren-ETF auf den hiesigen Aktienmarkt. Aus unserer Sicht ist eine Lancierung nicht möglich, wenn ein Ungleichgewicht besteht zwischen der Liquidität des Cash-Marktes und dem ETF, der eine börsentägliche Liquidität aufweisen muss.

Gibt es Märke, die Sie generell nicht über einen ETF abbilden?

Ja, verbriefte Bankkredite und Hedgefonds beispielsweise. Diese Anlageklassen passen unserer Meinung nach nicht in einen ETF, weil sie per Definition nicht liquide, kosteneffizient und transparent sind, wie es ein ETF sein sollte. Mit Ausnahme von zwei Rohstoffprodukten fokussieren wir uns zudem auf physisch abbildbare Märkte und offerieren weder synthetische noch inverse oder gehebelte ETF.

Der Fixed-Income-Markt ist auch nicht besonders liquid, dennoch sehen Sie hier ein grosses Wachstumspotenzial.

Richtig. Die investierten Vermögen in Bond-ETF sind marginal klein, der Markt ist von Einzeltiteln getrieben. Doch wir sehen ein stärkeres Interesse an passiven Anlagelösungen. Der Fixed-Income-Markt ist ein extrem fragmentierter OTC-Markt. Der ETF bringt sozusagen die Obligationen an die Börse, vereinfacht den Zugang und bringt Investoren zusammen.

Damit steigt aber die Liquidität nicht.

Ein Bond ETF kann die Liquidität am Markt nicht per se erhöhen, aber ein ETF kann sehr gut die vorhandene Markt-Liquidität poolen. Die Konsequenz daraus ist, dass der Austausch von Risiken zwischen den Investoren vereinfacht wird. Anleger finden schneller zueinander als über die fragmentierte OTC-Struktur. Wir sind der Ansicht, dass ETF hier einen positiven Einfluss auf den Markt haben.

Welchen?

Zuerst wird der Handel über den Sekundärmarkt geregelt – zwischen Partei A und B –, ohne dass dies einen Einfluss auf den Cash-Markt hat. Wenn ein ETF gross genug ist, kann das lange so andauern, bevor auf dem Primärmarkt neue Anteile gezeichnet oder verkauft werden müssen. Man hat im High-Yield-Bereich gesehen, dass ETF-Anteile stark gehandelt wurden, hingegen im Primärmarkt kein reger Handel stattfand – und insofern besonders auch in turbulenten Marktsituationen der ETF Liquidität zu Verfügung gestellt und die Volatilität im Cash-Markt geglättet hat.

Was sind die weiteren Treiber des künftigen ETF-Wachstums?

Nebst den festverzinslichen Anlagen ist das Kostenelement nach wie vor ein Thema, insbesondere im Schweizer Markt. Und auch die Regulierung wird das Wachstum von ETF weiterhin beflügeln. Sichtwort honorarbasierte Beratung. Das bedeutet, ETF und Indexfonds werden in die Produktpalette der Vermögensberatung noch stärker Einzug halten.

Ist Robo-Advisory nicht auch ein Treiber?

Natürlich. Passive Anlageformen passen natürlich perfekt in eine automatisierte Vermögensverwaltungs-Plattform. Doch die investierten Vermögen bei Robo-Advisor sind nach wie vor verschwindend überschaubar. Künftig wird sicherlich mehr Wachstum durch solche Plattformen erzeugt werden.

Sie bieten mit ETF und Indexfonds zwei ähnliche Produkte an. Wann soll ein Anleger auf ETF setzen, wann auf Indexfonds?

Sobald sich ein Anleger entschieden hat, passiv zu investieren, sollte er beide Produkttypen auf dem Radar haben. Es geht dabei nicht um «entweder oder», sondern um «sowohl als auch». Das wird von den verschiedenen Anbietern zu wenig differenziert diskutiert.

Das ist verständlich: Einige haben nur ETF im Angebot, andere nur Indexfonds.

Nur wenige bieten beides an. Richtig. Aber es greift zu kurz, wenn man sagt, ein Indexfonds sei besser als ein ETF oder vice versa.

Gibt es dazu eine Faustregel?

Wie erwähnt: Anleger sollten immer beide Typen prüfen. Schweizer Investoren können sich an folgende Regel halten: Wenn langfristig ein Kernportfolio abgebildet werden soll, kommt eher ein Indexfonds in Frage. Dies gilt aber nur, wenn auf die börsentägliche Liquidität verzichten werden kann.

Vereinfacht: Langfristiges Kerninvestment mit Indexfonds, kurz- bis mittelfristige Themen mit ETF?

Jein. Viele Märkte werden von Indexfonds nicht abgebildet, von ETF dagegen schon. Aber es ist schon so, dass Indexfonds sich eher um Kernanlagen gliedern, ETF auf breite Spezialmärkte oder Themen. Aber sobald ein Investor die Sicherheit der täglichen Börsenliquidität haben will, dann führt kein Weg an den ETF vorbei. Vor allem bei Privatanlegern sehen wir dieses Bedürfnis.

Der Wegfall der Stempelsteuer ist ein Argument für Indexfonds.

Ja, aber auch das muss man differenziert betrachten. Ein ETF auf US-Dividendenwerte mit Domizil Irland beispielsweise kann die Dividendenrückforderung viel effizienter geltend machen. Je länger man beispielsweise einen Indexfonds auf US-Aktien hält, desto mehr verliert der Investor im Portfolio wegen der Dividendenrückforderung. Das kompensiert dann möglicherweise den Vorteil der Stempelsteuer. Es geht also immer auch um die Haltefrist, die man vor Auswahl berücksichtigen muss.

*Marco Strohmeier, Leiter iShares und Index Investing Deutschschweiz.


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