ETF-Branche unter Beschuss

Die verlustreichen Spekulationsgeschäfte des UBS-Händlers Kweku Adoboli haben die ETF-Branche in die Kritik geraten lassen. Zu Unrecht, denn für Anleger bestand zu keiner Zeit eine Gefahr. Dennoch ist die Diskussion um die Risiken neu entflammt.

Text: Barbara Kalhammer

In den vergangenen Wochen waren die Handelsverluste der UBS das grosse The­ma in den Medien. Über zwei Milliarden Dollar hat der Händler Kweku Adoboli mit riskanten Anlagen verloren. Als Sünden­bock wurde die sogennante Delta-One- Abteilung genannt. Diese Geschäftseinheit ist bei der Schweizer Grossbank für den Handel einer ganzen Reihe von Produkten zuständig, die ohne aktives Portfolioma­nagement auskommen, wie beispielsweise Contracts for Difference (CFD), Exchange Traded Funds, Futures und Swaps. Delta One ist auch oft der Liquiditätslieferant, da sie für die oben genannten Produkte Preise stellen.

Im Bereich von ETF kann das Market Making ein Teil des Delta-One-Geschäfts sein. Genauer gesagt werden unter ande­rem vom Delta-One-Bereich Preise für ETF gestellt. Kauft ein Kunde bei der Bank bei­spielsweise einen ETF, sichert der Delta- One-Händler (Market Maker) diesen Ver­kauf auf der Gegenseite ab. Dazu erwirbt er beispielsweise einen Future, der den In­dex des verkauften ETF so exakt wie mög­lich abbildet. Seine Positionen halten sich im Idealfall die Waage. Der Delta-One- Händler ist in diesem Fall lediglich ein Liquiditätslieferant. Er verdient dabei einer­seits aus dem Kauf und dem Verkauf des Produktes (Spread). Anderseits kann er zu­sätzliche Gewinne durch eine geschickte Absicherung (auf Risiko der Bank) erzielen.

Keine Limitenverletzung

Was war nun geschehen bei der UBS? Adoboli war zu­vor in der Abwicklungsabteilung tätig. Da­durch war er mit Abrechnungs- und Kon­trollmechanismen bestens vertraut. Er wusste, dass ETF-Positionen meist nicht schon beim Abschluss, sondern erst bei der formalen Abrechnung von der Gegenpartei bestätigt werden. Dieses Wissen hat Ado­boli ausgenutzt. Er ging massive Long-Posi­tionen ein, die Absicherung mit den ETF er­folgte aber nur fiktiv. Er hat die Positionen nie zum Settlement zugelassen, sondern immer rechtzeitig angepasst. Dadurch ha­ben die Risikolimiten auf seinen Handels­büchern die vorgegebenen Bandbreiten nicht überschritten. Die Spekulationen flo­gen daher lange nicht auf.

Adoboli hat mit seinem Handeln einzig das Geld der Bank, nicht der Kunden, aufs Spiel gesetzt. Für ETF-Anleger bestand zu keinem Zeitpunkt die Gefahr von Verlus­ten, dies bestätigt auch die UBS. Es han­delt sich um einen Betrugsfall, die Verluste trägt allein die Bank. Anleger zeigten sich dennoch verunsichert, einerseits weil sich Adoboli im ETF-Bereich verspekuliert hat und anderseits durch die Negativschlag­zeilen in der Presse.

Neue Richtlinien gefordert

Durch die Spekulationen des UBS-Händ­lers Adoboli sind die Stimmen, die vor den Risiken synthetisch replizierter ETF war­nen, wieder lauter geworden. Bereits vor einigen Monaten hatten sich die britische Finanzaufsichtsbehörde FSA und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich kri­tisch geäussert.

Nun meinte Sharon Bow­les, Vorsitzende des Wirtschaftsausschus­ses im Europäischen Parlament, gegenüber Reuters Insider TV, ETF sollten in Zukunft über die EU-Richtlinie für den europäi­schen Finanzmarkt (Mifid) kontrolliert werden. Die Richtlinie müsste zu diesem Zweck jedoch leicht angepasst werden. Diese Änderungen dürften gemäss Sha­ron Bowles bei ETF vor allem die Offenle­gungspflichten betreffen. So müssten etwa Transaktionen standardisiert an die jeweils zuständigen Aufsichtbehörden gemeldet werden.

Auch die Deutsche Bundesbank kündig­te an, sich den ETF-Markt «sehr genau an­zusehen». Das Bundesbank-Vorstandsmit­glied Andreas Dombret erklärte gegenüber dem Spiegel, dass er beim Handel mit In­dexfonds ähnliche Risiken sehe wie bei den komplizierten Schuldverschreibungen der Banken für den amerikanischen Immobi­lienmarkt, die die Weltfinanzkrise auslös­ten.

Sollten grosse ETF-Marktteilnehmer in Zahlungsprobleme geraten, so könne da­durch ein Liquiditätsproblem für den gan­zen Markt entstehen. «Ein für alle Markt­teilnehmer verbindliches Mindestmass an Transparenz wäre wünschenswert und si­cherlich ein Schritt hin zur Stärkung der Finanzstabilität», sagte Dombret weiter.

Finma warnt vor Risiken

Kurz nach den Geschehnissen bei der UBS publizierte auch die Eidgenössische Finanzmarktauf­sicht (Finma) ein Papier zu ETF. Die Finma erklärte dazu: «Die Publikation der Finma- Mitteilung in der gewählten Form und zum gegenwärtigen Zeitpunkt finden wir rich­tig und im Hinblick auf den gesetzlichen Auftrag der Finma zielführend.» In der Publikation wurden Fondsleitungen und Vertreter ausländischer kollektiver Kapi­talanlagen über die Genehmigungsvor­aussetzungen von ETF informiert, schreibt die Finma weiter. Im Vordergrund des Pa­piers stehen synthetisch replizierende ETF. Durch die grosse Anlegernachfrage kam es bei diesen Produkten zu einem starken Wachstum. Dieses habe dazu geführt, dass immer komplexere ETF-Strukturen ange­boten werden. Dies berge, so die Finma, gewisse Risiken.

Wie im Euroland gilt die Kritik auch hierzulande insbesondere den syntheti­schen ETF. Normalerweise hält der ETF al­le Werte des abzubildenden Index. Swap­basierte Produkte investieren jedoch nicht zwingend in die Werte des zugrun­de liegenden Index. Stattdessen wird in einen Wertpapierkorb, bestehend aus Ak­tien oder Obligationen, investiert. Auf die­sen Wertpapierbestand können Investo­ren zurückgreifen, falls der ETF-Anbieter zahlungsunfähig wird.

Zusätzlich hält der ETF einen Swap-Kontrakt. Die Wertent­wicklung dieses Baskets wird dann gegen die Wertentwicklung des jeweiligen Refe­renzindex getauscht. So erwirbt man mit einem synthetischen ETF die Wertent­wicklung des Index, nicht aber die tatsäch­lichen Wertpapiere im Index.

Den meisten Anlegern dürften die Gefahren von swap­basierten ETF bereits bewusst sein. Es ist kein Geheimnis, dass ein Kontrahentenri­siko besteht. Das Risiko ist jedoch gemäss Ucits-III auf zehn Prozent des Fondsvermö­gens begrenzt. Ausserdem wird das Risiko bei einigen Anbietern auf mehrere Swap-kontrahenten verteilt, teilweise wird auch eine Übersicherung der Swappositionen vorgenommen.

Finma fordert mehr Transparenz

Die Finma hebt in ihrem Bericht besonders die Unterschiede zwischen Fully Funded ETF und Unfunded ETF hervor. Im zweiten Fall, den ungedeckten Swaps, investiert der ETF-Anbieter das Fondsvermögen selbst in einen Aktienbasket und schliesst gleich­zeitig mit einer oder mehreren Swapge­genparteien ein Swapgeschäft ab. Mit die­sen wird dann die Performance des Korbes gegen die Wertentwicklung des zu replizie­renden Index getauscht. Bereits jetzt legen die meisten ETF-Anbieter diese sogenann­ten Substitute Baskets, auch Trägerportfo­lios genannt, offen.

So zeigen beispielsweise Lyxor Asset Ma­nagement, db x-trackers, ComStage, iSha­res und die Credit Suisse auf täglicher Ba­sis den effektiven Fondsbasket. Der Anleger weiss damit jederzeit, in welche Werte er effek­tiv investiert ist. Auf der Webseite von db x-tracker beispielsweise findet sich die Art der Indexreplikation, die Swapart (gedeckt oder ungedeckt), die Swapbewertung und der Swapkontrahent.

Forderungen an Emittenten

Anders gestaltet sich der Fall bei gedeck­ten Swaps. Bei diesen transferiert der ETF-Anbieter das Vermögen zum Swapkontra­henten. Dieser investiert das Geld in einen Aktienkorb, der in ein separat geführtes Konto bei einer unabhängigen Depotbank als Sicherheit eingelegt wird. Da Funded- Swap-ETF das gesamte Fondsvermögen in den Swap, welcher in der Regel mit einer einzigen Gegenpartei abgeschlossen wird, investieren, kommt hier gemäss Finma der Insolvenz der Gegenpartei eine besonde­re Bedeutung zu.

Wie erwähnt ist das Ri­siko auf 10 Prozent des Fondsvermögens beschränkt. Die Swap-Gegenpartei ist al­so verpflichtet, Sicherheiten im Wert von mindestens 90 Prozent des Nettoinven­tarwertes des Funded Swap-ETF zu hin­terlegen. Jedoch sieht das schweizerische Kollektivanlagengesetz (KAG) keine Vor­schriften bezüglich der zu leistenden Si­cherheiten vor.

Die Finma schreibt in ihrem Bericht wei­ter, dass sich Funded-Swap-ETF stark von herkömmlichen, physisch replizierenden ETF unterscheiden, sodass nicht davon auszugehen sei, dass ein Publikumsanleger versteht, in was für ein Produkt er bei ei­nem Funded-Swap-ETF investiert.

All die­se Punkte führen zu folgender Forderung: In den Fondsdokumenten ist klar offenzu­legen, welche Replikationsmethode ange­wendet wird, wie sie funktioniert und wel­che Risiken sie haben kann. Zudem sollen, sofern der Indexanbieter und der ETF dem­selben Konzern angehören, die getroffe­nen Regelungen zur Vermeidung von Inte­ressenkonflikten in den Fondsdokumenten offengelegt werden.

Mehr Offenheit

Die letzte Vorschrift betrifft Unfunded-Swap-ETF. Hier muss neu die Anlagepolitik in Bezug auf den Referenzwertpapierkorb offengelegt wer­den. In den meisten Punkten sind zahlrei­che Anbieter der Finma bereits zuvorgekommen. Natürlich ist eine möglichst hohe Trans­parenz für den Kunden wün­schenswert.

Die Finma formu­liert jedoch keine klaren Regeln, und auch in Europa sind defini­tive Vorschriften Zukunftsmu­sik. Erstaunlich ist weiter, dass sich die Aufsichtsbehörden erst in diesem Jahr bemerkbar machen. Seit über zehn Jahren werden synthetische ETF angeboten, während der Finanzkrise bewie­sen die Produkte Krisenresistenz. Kein An­leger musste Ausfälle in diesem Segment erfahren.

Einige Anbieter haben jedoch selbst An­passungen vorgenommen. «Im Rahmen un­ser Transparenzinitiative werden wir in der neuen Woche anfangen, den Swap-Anteil jedes einzelnen ETF täglich auf Null zu re­setten», wird Simon Klein in der Börsen-Zei­tung zitiert. Dies macht die CS übrigens seit Lancierung ihres ersten synthetischen ETF. iShares hat zudem eine Reihe an regulatori­schen Reformen und Empfehlungen für eine verbesserte Transparenz aufgestellt.

Für den Anleger ändert sich aktuell aber wenig. Er ist weiterhin gefordert, sich mit den möglichen Gefahren der jeweiligen Produkte auseinanderzusetzen. Dabei soll­te er sich aber nicht von der derzeitigen Pa­nikmache verrückt machen lassen.


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