FinTechs ermöglichen die automatisierte Vermögensverwaltung

Neue Anbieter – FinTechs – machen sich daran, die Vermögensverwaltung komplett zu digitalisieren. Solche neuen Tools sind zwar günstiger und einfacher als die herkömmliche Vermögensverwaltung – obsolet ist diese aber deswegen noch lange nicht.

Text: Rino Borini

Sein Vermögen am Sonntagabend auf dem Sofa am Tablet verwalten, das Portfolio automatisch überwachen und optimieren – 7 Tage die Woche während 24 Stunden. Das ist keine Zukunftsmusik, sondern bereits Realität, zumindest in den USA und im Vereinigten Königreich. Die bankenunabhängigen Anbieter, die der herkömmlichen Vermögensverwaltung das Fürchten lehren wollen, heissen Betterment, Wealthfront oder Nutmeg. Auch hierzulande sind erste Anbieter mit rein digitalen Angeboten am Start. So zum Beispiel Swissquote, die Glarner Kantonalbank mit ihrem kürzlich lancierten Investomat oder das unabhängige FinTech Unternehmen True Wealth. Und weitere stehen in den Startlöchern.

Gemäss Corporate Insight verwalten die automatisierten Vermögensverwaltungsplattformen weltweit bereits rund 19 Milliarden Dollar. Das klingt nach viel – ist es aber nicht, wenn man sie die Summen der traditionellen Vermögensverwalter vor Augen führt. Sie liegen – inklusive der Vermögen der institutionellen Kunden – bei geschätzten 65 Billionen Dollar.

Die neuen Robo-Advice-Plattformen richten sich an Selbstentscheider mit grosser Technologieaffinität. Im Klartext: Millenniums, also die Jahrgänge 1977 bis 1998. Doch nicht nur für diese Zielgruppe sind diese Plattformen attraktiv. Die Gruppe, die derzeit am stärkten digitalisiert wird, ist die Generation 55+. Das heisst: Viele dieser Menschen erwerben derzeit ein Smartphone oder ein Tablet und wagen die ersten Schritte in der digitalen Welt.

Doch die aktivsten Nutzer dieser Plattformen sind jünger, wie Zahlen von Wealthfront zeigen. Gemäss dem laut Eigenaussage grössten US-Anbieter sind 60 Prozent der Kunden unter 35Jährig, 90 Prozent sind jünger als 50 Jahre. Insgesamt verwaltet Wealthfront 1,8 Milliarden Dollar. Die durchschnittliche Portfoliogrösse der 24‘000 betreuten Kunden liegt bei 90’000 Dollar.

Die demografischen Daten von Konkurrent Betterment, der sich bereits für 1,35 Milliarden Dollar verantwortlich zeigt, bestätigen das Bild. Das durchschnittliche Alter der Kunden beträgt dort 36 Jahre. Der grösste Anleger auf der Plattform verwaltet übrigens ein Portfolio von zehn Millionen Dollar.

Kosteneffiziente Anlageprodukte

Der entscheidende Vorteil solcher Plattformen ist ihre Einfachheit. Mit wenigen Klicks kann der Nutzer sein persönliches Chancen-/Risikoprofil erstellen lassen. Dabei werden nicht nur Fragen zur persönlichen Lebens-und Finanzsituation gestellt, sondern auch Verhaltensfragen aus dem Bereich Behavioural Finance. Aufgrund der Ergebnisse schlägt die Plattform anschliessend ein auf die Risikofähigkeit abgestimmtes Wertschriftenportfolio vor.

Bei der Zusammensetzung der Portfolios setzten sämtliche Anbieter auf die kostengünstigen Exchange Traded Funds (ETF) – das wohl erfolgreichste Finanzprodukt der letzten zwei Dekaden. ETF haben den Vorteil, dass sie einen Wertpapiermarkt (Aktien, Obligationen et cetera) präzise abbilden und einfach über eine Börse gehandelt werden können. Die Kosten sind 0,75 bis 1,5 Prozent tiefer als die Verwaltungsgebühren bei traditionellen Anlagefonds («Was sind ETF?»).

Etwas verwirrend ist der Begriff «Robo-Advice», denn er suggeriert, dass der Faktor Mensch komplett ausgeschaltet wird. Dem ist aber nicht so. Die Anbieter müssen beispielsweise bei der Wahl der geeigneten ETF – es gibt weltweit knapp 5500 Produkte – eine Selektion vornehmen. Die zentrale Frage ist, welcher ETF bildet einen bestimmten Markt am besten ab. Und hier sind Menschen am Werk.

Positives Kundenerlebnis

Der standardisierte Beratungsteil hingegen ist komplett digitalisiert. Dadurch ist es diesen Online-Vermögensverwaltern möglich mit entsprechend tiefen Verwaltungsgebühren zu operieren. Bei Wealthfront kostet ein Mandat gerade mal 0,25 Prozent pro Jahr. Aufgrund der tiefen Margen können solche Plattformen aber nur durchstarten, wenn sie ein entsprechend grosse Volumen einsammeln können.

Zentral für den Erfolg sind die Benutzerführung und das Benutzererlebnis. In wenigen Minuten erhält ein geübter Anleger einen ersten Investitionsvorschlag. Anschliessend kann er auf spielerische Weise die Positionen verändern, das Risiko erhöhen oder verkleinern, bis er mit der Zusammenstellung zufrieden ist.

Die Reduzierung aufs Wesentliche hat jedoch nicht nur Vorteile. Denn bei einer gesamtheitlichen und langfristigen Vermögensverwaltung sollten alle Vermögenswerte berücksichtigt werden, dazu zählen auch Immobilien und Vorsorgepläne. Zudem gibt es in menschlichen Biografien entscheidende Lebensabschnitte wie die Geburt des ersten Kindes, den Kauf einer Immobilie, den Gang in die Selbständigkeit, eine Scheidung oder die Pensionierung. Diese Ereignisse sorgen für einen erheblichen Beratungsbedarf, den diese Tools nicht befriedigen können.

Die Unzulänglichkeiten der automatisierten Vermögensverwaltung spielen den Banken in die Hände. Schliesslich sind umfassende Beratungen ihr Kerngeschäft, das sie bereits seit Jahrzehnten betreiben. Doch auch bei traditionellen Geldhäusern sind Bestrebungen im Gange das Wealth Management zu digitalisieren.

Beide Modelle haben ihre Daseinsberechtigung. Letztlich entscheidet der mündige Kunde, was er will. Die Robo-Advice-Plattformen haben eine junge Vergangenheit und stehen mit ihrem Angebot erst am Anfang. Das Wachstum beginnt erst und Weiterentwicklungen, wie beispielsweise individuelle Produktselektion und virtuelle Anlageberatung könnten das Geschäftsmodell ergänzen.

 

Erstveröffentlichung auf Finance 2.0 Blog (Partnerprodukt von 10×10.ch). Einblicke in das Thema Digitalisierung und Finanzindustrie liefert am 5. Mai 2015 die Finance 2.0 Konferenz in Zürich. 


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