Passives Anlegen mit ETF – Eine Anleitung

Dass passives Investieren über ETF eben nicht bloss passiv ist, merkt, wer in der Praxis auf diese Weise Geld anlegen möchte. Natürlich gibt es auch für den passiven Investor wichtige Orientierungspunkte, nach denen er sich bei der Wahl des geeigneten ETF richten kann.

Text: Pascal Hügli
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Auch im Jahr 2017 verstehen vier von fünf Schweizer beim Wort ETF bloss Bahnhof. Und selbst jene 20 Prozent, die wissen, was ein ETF ist, tun sich beim Investieren mit ETF oftmals schwer. Deshalb folgt an dieser Stelle ein praktischer Leitfaden, der einen schrittweise durch die Anlagethematik führen soll: Anlegen mit ETF.

Persönliches Rendite-/Risikoprofil

Erstens gilt es, die persönlichen Anlagevorlieben zu ermitteln, um herauszufinden, in welche Risikoklassen wie stark investiert werden sollte. Hierfür eignen sich beispielsweise das Online-Tool von TrueWealth oder der Robo-Advisor von Descartes Finance.

Indexkomponenten

Ist man sich seiner Anlagepräferenzen bewusst, sollten die dazu passenden Indizes identifiziert werden. Bei den Anlageklassen (Obligationen, Aktien und Alternativanlagen) macht es Sinn, nach Region, Land und Sektor oder sogar Unternehmenstätigkeiten zu differenzieren. So kann es sein, dass ein Investor gewisse Länder, Sektoren oder Unternehmenstätigkeiten ausschliessen möchte, weshalb er einen spezifischen Index meiden sollte.

Gewichtung des Index

Entscheidend ist die Gewichtung der einzelnen im Index enthaltenen Titel. Nicht selten geben Indizes an, einen breiten Markt abzubilden, während sie in Wahrheit durch ein paar, eventuell sogar sektorspezifische Titel dominiert sind. Zum Beispiel besteht der FTSE MIB, der wichtigste Börsenindex Italiens, zu ungefähr 37 Prozent aus Finanztiteln. Selbst wenn man davon ausginge, dass sich die Kurse italienischer Unternehmen positiv entwickeln, mag dieser Index angesichts der schlechten Verfassung italienischer Geldinstitute ein eher ungeeignetes Instrument für die Abbildung der italienischen Wirtschaft sein. Die Finanzwerte sind schlicht überrepräsentiert.

Berechnungsweise

Die Art der Gewichtung ist Resultat der gewählten Berechnungsmethode. Viele Aktien-Indizes gewichten nach Marktkapitalisierung – es werden die Aktienkurse mit der Anzahl der verfügbaren Aktien multipliziert. In einem Aufschwung nehmen teurer werdende Titel gegenüber günstigeren so ein grösseres Gewicht ein. Obligationsindizes ihrerseits gewichten nach Emissionsvolumina, wodurch die grössten Schuldner am stärksten im Index repräsentiert sind. Nicht zuletzt aufgrund dieser Ungleichgewichte gibt es andere Berechnungsarten.

Über das Gleichgewichts-Prinzip werden die einzelnen Indextitel gleichgewichtet. Eine solche Gleichgewichtung bedingt jedoch regelmässige Neuanpassungen und somit höhere Kosten. Aufwind haben Ansätze des «Smart Beta» oder «Strategic Beta». Meist im Aktienbereich zu finden, werden die Aktien solcher Fonds nach Faktoren wie Firmenumsatz, Qualität, Volatilität oder Momentum gewichtet. Es wird versucht, aktiv passiv zu investieren. Informationen zu all diesen genannten Bewertungskriterien lassen sich am besten über die transparenten Regelwerke einholen.

ETF-Auswahl

Auf diesen ersten Selektionsschritt zur Auswahl des geeigneten Index und seiner gewünschten Indexkomponenten folgt die zweite Selektionsaufgabe: Die Wahl des geeigneten ETF auf das entsprechende Barometer.

Gesamtkostenquote

Natürlich sind die Kosten ein erster Ausgangspunkt. Wie immer, wenn man etwas kauft, will man darü- ber so gut wie möglich Bescheid wissen. Eine erste Beurteilung der Kosten eines ETF ermöglicht die Gesamtkostenquote (TER), welche die jährlichen Verwaltungs- und Depotbankgebühren beinhaltet.

Doch anders als der Name impliziert, sind darin nicht alle Kosten abgebildet. Aufwendungen, die aus Umschichtungen aufgrund von Index-Rebalancierungen resultieren, werden nicht berücksichtigt. Genauso wenig wie Swap- und Indexgebühren oder Wertpapierleiherträge.

Nettoinventarwert

Einen genaueren Rückschluss auf die eigentlichen Kosten vermittelt der Nettoinventarwert (NAV), beinhaltet dieser Wert doch alle Kosten, die auf Produktebene anfallen. Im NAV nicht erfasst ist dessen Abweichung zu Geld- und Briefkurs, welche es ebenso in die Kostenanalyse einzukalkulieren gilt.

Broker

Wichtiger Kostenpunkt, den ein Investor auch berücksichtigen sollte, sind die Aufwendungen für Handelstransaktionen bei seinem Broker. Diese müssen separat bewertet werden, damit wirklich alle Kosten erfasst werden können – auf Produktebene, im Handel sowie der Verwaltung.

Performanceanalyse

Doch wie genau bezieht ein Anleger den NAV in seine Bewertung eines ETF mit ein? Am besten indem er bei der Performanceanalyse historischer Renditen eines ETF auf die NAV-Zahlen abstützt. Nur wenn die Performanceanalyse auf NAV-Werten beruht, lässt sich die Gesamtrendite eines ETF bestimmen. So sind nämlich auch allfällige Dividendenausschüttungen in den NAV mit eingerechnet – eine wichtige Voraussetzung, um unterschiedliche Performanceanalysen von ETF miteinander vergleichen zu können. Die auf dem NAV beruhenden Renditezahlen finden sich meist in den Factsheets der einzelnen ETF.

Abbildungsqualität

Kennt ein Investor die Gesamtrendite eines ETF über eine Periode von 3-5 Jahren, kann damit die Abweichung zur Gesamtrendite des unterliegenden Index ermittelt werden. Dazu vergleicht man die Gesamtrendite des ETF mit jener des Benchmark, um so die Abbildungsgüte des ETF festzustellen. Die Performancewerte für den Index lassen sich über die jeweiligen Börsen oder auch durch die ETF-Factsheets einholen. Zumal ein ETF seinen Index selten schlägt und in der Regel eher eine Underperformance ausweist, lässt sich ein geeigneter ETF daran erkennen, dass seine Abweichung von der Benchmark gegen unten möglichst minim ist. Die Rendite des ETF ist also umso höher, je besser der ETF seinen Index abbildet.

Replikationsmethode

Neben der Rendite kann für den Investor auch die Replikationsart des ETF eine Rolle spielen. Nicht nur wie gut ein ETF seinen Index abbildet, sondern auch auf welche Weise er dies tut, kann relevant sein. Grundsätzlich wird zwischen physischer und synthetischer Replikation unterschieden. Kauft der ETF exakt jene Titel des zugrundeliegenden Index, ist das eine physische Replikation. Sind jedoch die Titel des unterliegenden Index wenig liquide, kann eine vollständige physische Replikation entweder nur sehr kostspielig oder überhaupt nicht erreicht werden. In diesem Fall verfährt der ETF nach einem optimierten Sampling-Ansatz: Es wird bloss eine Auswahl an Titeln physisch hinterlegt, die das RenditeRisiko-Profil des Gesamtindex bestmöglich repräsentiert. Bei der synthetischen Indexnachbildung schliesst die ETF-Fondgesellschaft einen Swap-Kontrakt mit einer Investmentbank ab. Letztere bezahlt die Indexrendite, will aber dafür eine Gebühr sowie Erträge aus Sicherheiten. Mit der synthetischen Nachbildung können Belastungen durch die Verrechnungssteuer auf Dividendenzahlungen reduziert werden. Renditetechnisch mag ein synthetisch replizierter ETF besser abschneiden, jedoch beinhaltet er für den Investor ein Gegenpartei- und somit ein Ausfallrisiko.

Liquidität

Auch die Handelsspanne eines ETF ist nicht nur im Hinblick auf die Kosten relevant. Der Vergleich der Geld/Brief-Spannen verschiedener ETF auf denselben Index an derselben Börse zu verschiedenen Tagen und Tageszeiten informiert zudem über die Liquidität eines ETF. Für einen Investor, der einen ETF kauft, um diesen auf lange Dauer zu halten, ist diese Liquidität weniger ausschlaggebend. Wird das Portfolio zwecks taktischer Überlegungen häufig geändert, ist diese Handelsspanne durchaus beachtenswert. Ein ETF ist umso liquider, je enger die Differenz zwischen Geld- und Briefkurs ist und wird letzten Endes durch die Liquidität des zugrundeliegenden Marktes bestimmt.

Last but not least

Das Fondsvolumen, die Währungsfrage, steuerliche Aspekte sowie Dividendenausschüttungen sollten ebenfalls nicht ausser Acht gelassen werden. Die kritische Schwelle bei der Fondsgrösse, so sagt man, liegt etwa bei 100 Millionen. Wie sich gezeigt hat, haben ETF mit weniger Kapital häufig geringere Überlebenschancen, da sie entweder übernommen oder gar geschlossen werden müssen.

Wie Studien zeigen, generieren Fremdwährungen langfristig keine positiven Renditen. Ist ein ETF währungsgesichert, lassen sich solche negativen Auswirkungen auf die Gesamtrendite des ETF vermeiden. In Sachen Steuern ist für den Investor vor allem die Stempelsteuer relevant. Wichtige Handhabe hierbei: Aus Schweizer Sicht sollen wenn möglich ETF mit Schweizer Domizil gewählt werden.

Will der Investor vom Zinseszins-Effekt profitieren, sollte er bei den Dividenden einen thesaurierenden ETF wählen. Benötigt er Erträge für seinen laufenden Konsum, sind Dividendenausschüttungen eher angebracht. Grundsätzlich macht es Sinn, dass ein Anleger in seiner Ansparphase für einen thesaurierenden ETF optiert, während er in seiner Renten-/Konsumphase typischerweise einen ausschüttenden ETF bevorzugt.

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