Robo-Advisor besser als mancher Berater

Robo Advisor sind derzeit in aller Munde. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff und welche Vorteile bringen die digitalen Berater für die Anleger? Antworten liefert Adriano B. Lucatelli im Interview.

Text: Barbara Kalhammer

Robo-Advisor sind derzeit in aller Munde. Was verbirgt sich hinter dem Begriff?

Kurz gesagt: ein automatisierter beziehungsweise digitaler Berater für Finanzdienstleistungen.

Wie funktionieren diese genau?

Die Dienstleistungen werden entmaterialisiert respektive digitalisiert und dadurch elektronisch fassbar gemacht. Die Kunden können dann über verschiedene Devices wie Smartphone oder Tablet die Dienstleistungen ansehen, vergleichen und nutzen.

Für wen sind Robo-Advisor geeignet?

Grundsätzlich müssen Anleger über die nötige Infrastruktur verfügen, also eine Internetverbindung und ein entsprechendes Gerät. Zudem müssen sie auch in einem gewissen Mass technologieaffin sein. Im Fintech-Bereich besteht noch eine zusätzliche Schwierigkeit: Es geht um Geld, und Geld ist etwas sehr emotionales. Die Menschen sind darum sehr vorsichtig und konservativ gegenüber digitalen Dienstleistungen.

Es muss erst Vertrauen aufgebaut werden?

Genau. Die Kunden müssen der Maschine und den Menschen, die dahinter stehen, vertrauen. Diese bürgen für Sicherheit und ethisches Verhalten. Im Coop-Shop ein Birchermüsli zu bestellen, ist das Eine, sein Vermögen einer Maschine anzuvertrauen, ist eine völlig andere Sache. Eine Marke zu etablieren, kann durch ein grosses Institut erreicht werden, beispielsweise durch die Glarner Kantonalbank, die hinter dem Investomat steht. Alternativ können aber auch einzelne Experten für die Bildung der Marke sorgen.

Was sind die Vorteile der Robo-Advisor gegenüber klassischen Bankberatern?

Einer der grössten Vorteile ist, dass Kunden ihre Bankgeschäfte jederzeit und überall abwickeln können. Sie müssen sich nicht nach den Geschäftszeiten der Filialen richten. Ein weiterer Vorteil ist die Emotionslosigkeit des wissenschaftlich orientierten, algorithmusbasierten Anlegens. Genau hier scheitern viele Anleger, sie lassen sich oft von Angst und Gier leiten. Deswegen investieren erfolgreiche Anleger regelbasiert und diszipliniert.


Wie genau sieht das aus?

Menschen passen ihre Risikoneigung immer wieder an. In guten Zeiten beispielsweise agieren sie risikoreicher und umgekehrt. Ich betrachte das nicht als irrational. Sie nehmen doch auch einen Schirm, wenn Regen angesagt wird. Wichtig ist aber, seiner langfristigen Strategie treu zu bleiben und nicht an kurzfristig veränderte Situationen anzupassen. Robo-Advisor sind emotionslos in der Umsetzung und bleiben der definierten Strategie treu. Dabei ist eine Maschine sicherlich besser als manche Berater, die oft ähnlich emotional reagieren würden wie ihre Kunden.

Ersetzt der Robo-Advisor den Berater?

Nein, denn hinter der Maschine steht immer ein Mensch, der die Strategien auswählt. Es wird aber eine Verschiebung der Verantwortlichkeiten geben. Der Kundenberater muss wieder verstärkt Kompetenzen im Asset Management aufbauen, dabei hilft ihm die Technologie. Eher fürchten sollten sich die Verkaufsabteilungen, die versuchen, die Kundenberater mit bestimmten Ideen zu beliefern. Unternehmen aus der Fintech-Welt können diese Abteilungen zu einem gewissen Grad ersetzen.

Welche Strategien haben Sie bei Descartes im Angebot?

Wir sind eine Guided-Open-Architecture-Plattform. Das bedeutet, wir kuratieren das Angebot. Es sind nicht alle möglichen Strategien verfügbar, sondern jene, die sich über einen längeren Zeitraum bewiesen haben und wissenschaftlich begründet sind. Die Erkenntnisse stammen auch von universitären Forschungen, beispielsweise von Eugene- Fama. Ein einzelner Kundenberater kann das nicht, weil er einerseits die Informationen nicht hat und andererseits eher die Produkte des eigenen Unternehmens verkaufen muss.

Wie unterscheidet sich Descartes von anderen Robo-Advisor-Anbietern?

Die meisten bieten nur eine Strategie an, natürlich risikoadjustiert. Das ist quasi das alte Bankmodell, einfach digitalisiert. Wir hingegen sind offen für verschiedene wissenschaftliche Strategien und ähneln damit eher einem unabhängigen Vermögensverwalter beziehungsweise einer Plattform wie Uber oder Airbnb.

Verspricht Descartes eine bestimmte Performance?

Nein, für die Preisentwicklung übernehmen wir keine Verantwortung. Aber wir garantieren, dass wir nur Strategien verwenden, hinter welchen wir stehen können: Sie werden erst nach einer gründlichen Analyse aufgenommen. Unser Risiko ist somit die Auswahl des richtigen Asset Managers.

Wenn Sie Ihre Aufgabe mit einer Sportmetapher beschreiben müssten, welche wäre dies?

Ich bin der Sportchef und kaufe die Spieler, also die Asset Manager für die Mannschaft. Der Trainer hingegen sind die Kunden. Sie wählen jene Spieler aus, von denen sie denken, dass sie ihre Ziele am besten erreichen können.

Die Mindestinvestition bei Descartes beträgt 50 000 Franken. Warum so viel?

Wegen der Kosten. Wenn jemand 10 000 Franken pro Jahr fürs Alter spart, dann gibt es deutlich bessere Möglichkeiten, beispielsweise ein fondsbasiertes steuereffizientes 3a-Konto. Manche unserer Strategien benötigen sogar Summen ab 250 000 Franken, damit sie funktionieren.

Wie sieht es mit Einzeltitelstrategien aus?

Diese bieten wir ab 500 000 Franken. Für eine kosteneffiziente Umsetzung sind wir abhängig von einer günstigen Infrastruktur, die Schweiz ist aber bei Verwahrung und Transaktionskosten eher teuer. In den USA hingegen ist es fast gratis, das ermöglicht eine Individualisierung. Wenn der Zugang durch die Technologie einfacher und die Umsetzung billiger wird, kommt es zu einer Demokratisierung: Die Strategien sind dann nicht mehr nur Institutionellen vorbehalten.

Wie sieht diese Demokratisierung genau aus?

Wir beschäftigen uns nicht mit Geld, um daraus noch mehr Geld zu machen, sondern nehmen eine volkswirtschaftliche Rolle wahr. Diese lautet: Sparen für die Altersvorsorge. Wenn wir durch die Technologie das Sparen und die Finanzkompetenz verbessern können, dann haben wir einen enormen gesellschaftlichen Einfluss. Demokratisierung heisst, hocheffiziente und kostengünstige Strategien auch für tiefere Sparniveaus anzubieten.

Welche weiteren Möglichkeiten eröffnen sich durch neue Technologien wie Robo-Advisor?

Vernachlässigt wird bislang beispielsweise die Datensammlung. Auf einer grossen Plattform zeigt sich das Verhalten der Anleger, dies kann zu Verbesserungen des Kundenerlebnisses führen. Google, Apple oder Amazon machen ja nichts anderes. Diese Chance wird im Finanzbereich bislang noch gar nicht genutzt.

Wie können Robo-Advisor Daten nutzen?

Durch diese Datensammlungen können relativ schnell wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden, beispielsweise über Risikofaktoren. Ohne umständlich einen Fonds aufzusetzen, kann für den Kunden eine neue Strategie abgeleitet werden. Für die Fondswelt könnte diese Entwicklung gefährlich werden. Besonders kleinere Fonds und ETF könnten davon betroffen sein, weil sie zu teuer im Unterhalt sind. Das ist aber bislang noch Zukunftsmusik.     

Robo-Advisor

Der Ökonom Adriano B. Lucatelli ist Unternehmer, hält verschiedene Verwaltungsratsmandate und ist Dozent an der Universität Zürich.


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