Securities Lending – Die Katze im Sack kaufen?

Wertpapierleihe ist bei börsennotierten Indexfonds gang und gäbe. Sie ermöglicht eine Reduktion der Kosten und steigert die Erträge – das jedoch nicht ganz risikolos.

Text: Barbara Kalhammer

In den vergangenen Monaten ist die Forderung nach mehr Transparenz lauter geworden, auch im Bereich des Securities Lending. Dabei überlässt der Verleiher Wertpapiere einem Leiher für begrenzte Zeit. Bereits in der Finanzkrise hat die Wertpapierleihe unter starkem Vertrauensverlust gelitten. Der Ausfall von Lehman Brot­hers schliesslich zeigte das Gegenparteirisiko im Securities-Lending-Geschäft drastisch auf. Einen Namen hat sich die Wertpapierleihe vor allem dank Hedge Funds gemacht.

Diese operieren zumeist mit Leerverkäufen, das heisst sie borgen sich Aktien aus, verkaufen sie und decken sich später erneut mit den Werten ein. Sie pro­fitieren dabei von sinkenden Kursen. Wertpapierleihe wird sehr häufig in der Vermögensverwaltung eingesetzt. Gemäss Data Explorers werden Wertpapierleihgeschäfte im ausserbörslichen Handel mit einem globalen verfügbaren Ver­leihvolumen von 11 Billionen Dollar und Leih­geschäften auf Tagesbasis in Höhe von 1,9 Bil­lionen Dollar durchgeführt (Stand Ende 2010). Data Explorers ist ein unabhängiger Lieferant von Informationen zu Aktienleihe.

Die Gründe für eine Wertpapierleihe sind vielfältig. So können Positionen abgesichert und aktive Vermögensverwaltungsstrategien umgesetzt werden. Auch bei Market-Making-Tätigkeiten kommen Leerverkäufe zum Einsatz. Immer wieder wird die Beschränkung von Leer­verkäufen diskutiert. Während der Finanzkrisewurde Short Selling zum Teil stark reguliert. Dadurch würde laut BlackRock vor allem die Marktliquidität leiden. Die Folge wären Mehr­kosten für Händler, wenn die Trading Spreas weiter werden, und höhere Transaktionskosten für Investoren.

Einsatz bei ETF

Auch bei ETF ist Securities Len­ding üblich – und ebenfalls umstritten. Das Fi­nancial Stability Board meinte kürzlich, das Ge­schäft mit physischen ETF sei margenschwach, und die Emittenten erhöhten durch das Auslei­hen von Wertschriften ihre Erträge. Gemäss FSB sind im ETF-Markt Anbieter tätig, die mit dem Securities Lending höhere Erträge erzielen als mit den ETF-Gebühren. Auch dadurch könnten ähnliche Gegenpartei- und Liquiditätsrisiken entstehen, wie bei den synthetischen ETF.

Doch was genau steckt hinter der Wertpa­pierleihe bei ETF? Im Detail verleiht der Fonds­manager die im Creation-Prozess erhaltenen Werte. Für diese erhält der Verleiher vom Lei­her Sicherheiten (Collateral), die vertraglich fi­xiert sind. Gemäss Stefan Kaiser, Investment-Stratege in der Securities-Lending-Group von BlackRock, ist es entscheidend, dass die Sicher­heiten da sind, bevor das Wertpapier verlie­hen wird.

Dies sei auch durch die Ucits-Regeln begründet. Oftmals folgt auf Wertpapierleihgeschäfte ein gedeckter Leerverkauf der gelie­henen Papiere. Sobald das Ende der Laufzeit der Leihe erreicht ist, erhält der Verleiher die Werte im Tausch gegen die Sicherheiten zurück. Wich­tig ist hier, dass es sich um Werte gleicher Art und Güte handelt. Ausserdem, so erklärt Kaiser, könne BlackRock die Titel jederzeit zurückver­langen. Prinzipiell können ETF bis zu 95 Prozent ihres Nettoinventarwertes (NAV) verleihen. In der Praxis sind die Werte deutlich tiefer.

Vorteil der Wertpapierleihe

Durch die Lei­he können die Kosten bei ETF überhaupt erst so tief gehalten werden. Die Gebühren wären ohne Securities Lending höher. Es ist ein wichti­ger Ertragspfeiler für die Anbieter, und die Fees wären tendenziell höher, wenn man es verböte. Denn durch die Leihe und Leerverkäufe können Zusatzerträge erwirtschaftet werden. Bei Black­Rock beispielsweise fliessen 60 Prozent direkt in den Fonds. Bei Vanguard werden dem Fonds sämtliche Einnahmen aus dem Verleih abzüg­lich der Maklervergütung, der Programmkosten und der Vermittlungsgebühren zugeführt.

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Die genauen Erlöse lassen sich im Jahresbericht des jeweiligen ETF einsehen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Liquidität höher ist, und der Anle­ger dadurch von engeren Handelsspannen und tieferen Kosten profitiert. Ein effizientes Fonds­management kann die relative Performance ei­nes ETF im Vergleich zum Referenzindex beein­flussen. Die Leihe dient also dazu, den Tracking Error zu minimieren. Die Motive für Wertpa­pierleihe sind also Kostenreduzierung und Ren­ditesteigerung. Je nach Portfolio und Steuerdomizil des Fonds können die Erträge aber unterschiedlich sein.

Risiken berücksichtigen

Wie erwähnt ist Securities Lending mit Gefahren verbunden. Neben den operativen Risiken gilt es, das Ge­genparteirisiko zu berücksichtigen. Wenn der Leiher seiner Verpflichtung, die Wertpapiere zurückzugeben, nicht nachkommen kann, dann ist der Verleiher gezwungen, die Sicherheiten zu verkaufen und die ursprünglich ausgeliehenen Papiere am Markt zurückzukaufen. Dabei kann ein Verlust entstehen, wenn beispielsweise die Sicherheiten für den Kauf nicht ausreichen.

Um das Risiko zu senken, nehmen manche Anbie­ter eine Übersicherung vor. Das bedeutet, dass das Collateral den ausgeliehenen Betrag über­steigt. Bei BlackRock beispielsweise beträgt die­se 2,5 bis 12 Prozent. Wenn also beispielsweise Aktienim Wert von 100 Franken verliehen wer­den, müssen 102,50 bis 112 Franken als Sicher­heit hinterlegt werden. Fällt die Absicherung unter diesen Wert, so werden zusätzliche Si­cherheiten eingefordert.

Eine solche Übersiche­rung ist in der Branche ebenso üblich wie die tägliche Bewertung der Wertpapierleihgeschäf­te zu Marktpreisen. Von besonderer Bedeutung ist ausserdem ein unabhängiges Risikomanage­ment, das definiert, welche Gegenparteien und welche Sicherheiten in Frage kommen. Auch hier gibt es Ucits-Regeln, welche die verwend­baren Sicherheiten definieren. Bei BlackRock beispielsweise waren es in denvergangenen12 Monaten zu 85 Prozent Aktien, zu 15 Prozent Staatsver­schuldungen und zu weniger als einem Prozent Einlagenzertifikate. Die Sicherheiten werden ausserdem kontinuierlich überprüft.

Auch die Entleiher werden von der Risk & Quantitative Analysis Group durch eine sorgfältige Prüfung der Kreditwürdigkeit ausgewählt. Durch diese Massnahmen versucht BlackRock, das Risiko gering zu halten. Auch andere Anbieter setzen auf einen konservativen Ansatz, wie beispiels­weise Vanguard. Die Vanguard Fixed Income Group analysiert alle zukünftigen Ausleiher, um sicherzustellen, dass diese die strengen Kredit­standards erfüllen.

Laufende Erträge wie Dividenden stehen dem Entleiher zu. Anleger müssen also nicht auf die Ausschüttungen der Firmen verzichten. Diese werden in den Fonds als Manufacture Dividends (kompensierte Dividenden) zurückgezahlt.

Eigene Leihe

Der Anleger selbst kann nicht mitbestimmen, ob der Fonds-Anbieter Wertpa­pierleihe durchführen darf oder nicht. Neben der Wertpapierleihe durch den Anbieter hat der Anleger auch selbst die Möglichkeit, gegen ei­ne Gebühr Wertpapiere aus dem Portfolio kurz­fristig zu verleihen. Leihfähig sind prinzipiell al­le ETF-Anteile, egal ob Aktien oder Anleihen. Dies macht jedoch erst ab einer bestimmten Minimuminvestition Sinn. Ermöglicht wird dies durch die Depotbank des Anlegers. Dieser wird beauftragt, die ETF-Anteile auszuleihen. Der Leiher erstattet auch in diesem Fall eine Leih­gebühr. Auch diese Art von Securities Lending wird zumeist besichert.

Eine Kombination aus der Wertpapierleihe im Fonds – die automatisch vom Fondsanbie­ter durchgeführt wird – und der davon unab­hängigen eigenen Leihe von ETF-Units macht durchaus Sinn. Denn so können deutlich höhere Erträge erzielt werden, die im Bereich der Ver­waltungskosten liegen, oder sogar darüber.


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