Trading mit ETF soll geübt sein

ETF eignen sich nicht nur für die langfristige Vermögensbildung, sie sind ebenso ein ideals Instrument für kurzfristiges Handeln. Doch viele Traders schaffen es nicht den Markt kurzfristig zu schlagen. Profi-Trader Mike Kock gibt Tipps, wie man seine Chancen erhöhen kann.

Text: Barbara Kalhammer

10×10  Herr Kock, Sie handeln seit Jahren erfolgreich an der Börse. Was macht die Faszination des Tradings aus?

Mike Kock  Es ist die Kombination von finanzieller Freiheit und einem Arbeitsgebiet, das einer ständigen Veränderung unterliegt und doch auf festen Grundprinzipien basiert. Dazu ist man auch noch ortsunabhängig, entscheidend ist nur ein stabiler und schneller Internetzugang. Insgesamt benötigt man für meine Art von Trading einen Zeitaufwand von maximal drei Stunden pro Tag.

Trading ist wie eine riesige Spielwiese für erwachsene Kinder, stimmt das?

Ja, das stimmt, besonders bei den privaten Tradern ist diese Betrachtung sehr treffend. Doch dies wird auch durch die Finanzindustrie suggeriert. Viele Broker, die private Trader als Zielgruppe haben, erstellen verführerische Werbung: Trading nebenbei, kostenfreie Software, automatische Handelssysteme, 100 Prozent Trefferquote. All dies führt zum Eindruck, dass Geldverdienen an der Börse leicht sein muss.

Viele Anleger erliegen dem Traum vom schnellen Geld und scheitern. Warum?

Dafür gibt es verschiedene Gründe, doch die beiden Hauptgründe sind fehlendes Fachwissen und die mentale Verfassung. Das mag jetzt extrem klingen, doch viele Anleger denken tatsächlich, ein Wochenendseminar oder eine zweiwöchige Trading-Ausbildung biete das Rüstzeug, um erfolgreich an den Börsen zu bestehen. Wer würde schon zu einem Zahnarzt gehen, der sich in nur zwei Wochen sein Fachwissen angeeignet hat? Doch nur die Menschen, die Schmerzen lieben.

Wie weiss man, ob das eigene Wissen ausreicht?

Es gilt die 10000-Stunden-Regel. Ein Profipianist hat bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr etwa 10 000 Übungsstunden hinter sich, der Hobbyspieler dagegen nur 2000. Der Profi hat seit seinem fünften Lebensjahr jede Woche mindestens zwölf Stunden geübt. Gehen Sie die verschiedenen Berufe durch. Um wirklich ein Meister zu werden, benötigt man Zeit – das gilt auch für das Trading.

Man muss also kein Genie sein, um erfolgreich zu handeln?

Nein, der Intelligenzquotient spielt keine entscheidende Rolle, Durchschnitt ist ausreichend. Wichtig ist eine fundierte langfristige Ausbildung in Theorie und Praxis. Die Praxis ist dann die nächste Hürde. Der private Trader erlernt das Trading mit seinem eigenen Geld. Jeder Fehler und jeder Verlust wirken sich direkt auf die Kapitalhöhe aus. Viele Trader haben darum Angst, überhaupt eine Position zu eröffnen oder einen Gewinn laufen zu lassen.

Trading ist mit hohem Risiko verbunden. Wie geht man damit um?

Das ist so nicht richtig, alles im Leben ist mit einem Risiko verbunden. In der Schweiz waren 2012 über 18 000 Personen in einen Verkehrsunfall verwickelt, für 339 endete er tödlich. Auch das ist Risiko. Beim Trading ist Risiko die einzige Komponente, die wir kontrollieren können. Jeder Händler hat ein anderes Verständnis für die Höhe des Risikos, die er für sich selber ermitteln muss. Ohne das richtige Risikomanagement gibt es keine finanzielle Unabhängigkeit.

Sie geben selbst Trading-Seminare. Was lehren Sie dort?

Der Schwerpunkt liegt in der Ausbildung von Tradern. 2014 wird eine neue Ausbildung über 18 Monate starten. Die ersten sechs Monate bestehen aus Theorie und Übungen, die letzten zwölf Monate sind Trading pur. Dafür nimmt jeder meiner Studenten an der Trading-Weltmeisterschaft teil, den World Cup Championships. Reales Konto, reales Geld, reales Risiko – wirkliches Trading eben. Den höchsten Gewinn erzielte 1987 der US-Trader Larry Williams. Er machte aus dem Startkapital von 10 000 Dollar sagenhafte 1,2 Millionen Dollar.

Was sagen Sie Ihren Studenten konkret?

Mein Rat in Kurzfassung: Viel Wissen ansammeln, viele Fehler machen, diese überstehen und daraus lernen. Denken Sie an die 10000-Stunden-Regel.

Welche Strategien und Konzepte empfehlen Sie?

Diejenigen, die zu einem passen, mit denen man sich wohlfühlt und die einen positiven Erwartungswert haben. Ein Beispiel: Ein Gastronom will sich selbständig machen, welche Möglichkeiten hat er? Er kann es auf eigene Faust probieren oder er übernimmt ein erprobtes Konzept wie McDonald’s oder Starbucks. Die letzten beiden Modelle haben einen hohen positiven Erwartungswert auf Erfolg, genau dies ist auch im Trading bei den Strategien und Konzepten notwendig.

Welche Indikatoren und Reporte dienen zur Orientierung?

Der Unterschied zwischen privaten und hauptberuflichen Tradern liegt darin, dass die Privaten sich fast ausschliesslich auf Indikatoren und Charts verlassen. In der technischen Analyse gibt es über 8000 verschiedene Indikatoren. Diese sind aber nur eine Ableitung aus folgenden Faktoren: Eröffnungs- und Schlusskurs, Tageshoch und Tagestief, Volumen und Volatilität. Einer der Hauptgründe, warum private Trader häufig verlieren, liegt auch im blinden Vertrauen auf diese Indikatoren. Kein professioneller Trader macht dies.

Auf welches Konzept setzen Sie?

Ich verwende für meine Trading-Auswahl ein 3-Säulen-Konzept. Für die fundamentale Verfassung der Märkte nutze ich die «Commitments of Traders»-Reporte der U.S. Commodity Futures Trading Commission. Um die Werthaltigkeit eines Marktes zu erfahren, führe ich eine Intermarkt-Analyse durch. Ich erkenne dann, ob der Markt gerade preiswert oder zu teuer ist. Dann erst verwende ich die technische Analyse, um Trends und Trendwenden zu identifizieren. Zum Einsatz kommen hier aber nur drei Indikatoren, nicht mehr.

Welche Zeithorizonte sollten gewählt werden?

Die Auswahl der richtigen Zeitfenster ist abhängig vom Trading-Stil und dem gewählten Risiko. Jeder Trader ist anders, ich kann hier nur meine eigenen Erfahrungen wiedergeben. Ich analysiere jedes Wochenende ungefähr 50 verschiedene Märkte. Dabei sehe ich mir die Monats- und Wochencharts an und wähle die Märkte aus, die die besten Chancen aufzeigen. Der eigentliche Einstieg erfolgt dann aber auf Tagesschlusskursen. Sie sehen, es ist etwas komplex.

Gibt es Produkte, die sich für die Umsetzung bestimmter Strategien besonders eignen?

Für Trendfolgestrategien sind Exchange Traded Fonds (ETF) und Exchange Traded Commodities (ETC) sehr gut geeignet, kurzfristige Strategien sind besser mit Differenzkontrakten, eine Form von Total Return Swaps, oder Devisen umzusetzen. Ich selber handle aber überwiegend Futures, da dort die fairste Preisbildung und Abwicklung zu finden ist.

Welche Rolle spielt die Psychologie auf dem Handelsparkett?

Die Wissenschaft hat allein für diesen Bereich eine eigene Disziplin erschaffen, die Behavioral Finance. Der Grund ist einfach: Trotz gleicher Ausgangslage, gleichen Märkten, gleichen Signalen und gleichen Kontogrössen kommt immer ein anderes Ergebnis heraus. Die meisten Trader sind sich der mentalen Fallstricke nicht bewusst. Doch erst wenn wir diese erkennen und aktiv verändern, wird das Trading stabiler. Viele Spitzensportler haben einen Mentalcoach, um besser zu werden, wir Trader brauchen dies auch.

Auch die beste Strategie kann schief gehen. Wie geht man mit den entstehenden Verlusten um?

Indem man sie eingeplant hat als feste Grösse. Wenn wir als Trader unsere Verluste begrenzen und im Griff haben, kommt der Erfolg fast von allein. Wichtig ist das Verständnis, dass die Verluste das einzige sind, das wir kontrollieren können.

Was macht letztlich einen erfolgreichen Trader aus?

Er ist diszipliniert, verbessert sich ständig und hört mit dem Lernen nie auf.

Das Internet bietet immer mehr Möglichkeiten, erfolgreichen Tradern zu folgen. Was halten Sie davon?

Es ist sehr gut, von besseren und erfolgreichen Tradern zu lernen. Aber eben nicht durch blindes Folgen, sondern durch Verständnis für das Warum und Wieso. Nebenbei eignen sich nicht alle Strategien dazu, ihnen blind zu folgen. Gut sind End-of-Day Systeme, wo man genügend Zeit hat zwischen Signal und Orderaufgabe. Je kürzer das Zeitfenster, umso höher die Wahrscheinlichkeit für Verluste.

Stimmt es, dass Money-Management-Strategien in Spielbanken getestet wurden?

Ich war neun Jahre lang Croupier und kenne wohl so jede Art der Geldvernichtung. Eine beliebte Money-Management-Strategie ist die Progression. Hier werden die Einsätze im Verlustfall verdoppelt, solange bis man gewinnt. Diese Strategie klappt weder am Spieltisch noch im Trading. Die besten Trader und Spieler erhöhen Ihre Einsätze nur im Gewinnfall und nie in der Verlustphase. Der grosse Vorteil von einer Spielbank ist die hohe Spielfolge in Verbindung mit geringen Einsätzen. Black Jack und Poker sind sehr gut zum Testen geeignet.

Mike Kock ist selbständiger Trader und leitet Seminare für angehende Trader.
sentifi.com

Top 10 meistdiskutierte Werte



Kommentar schreiben

  • (will not be published)