Anonymität unter anderem Licht

Johannes Schweifer vor CoreLedger schreibt über die Regulierung von Kryptowährungen, wie Bitcoins.

Text: Johannes Schweifer ist Co-Gründer und CEO von CoreLedger.

Abwechselnd wird bei Kryptowährungen einmal die eine, dann die andere Sau durchs Dorf gejagt. Wenn der Preis gerade keinen Anlass gibt, sich um das Wohlergehen der gutgläubigen Anleger zu sorgen, dann ist es die vermeintliche Anonymität. Da lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen.

Transaktionen auf einem öffentlichen Ledger, einer Blockchain oder in einem Verzeichnis verwandter Art müssen ohne eine dritte Partei (in Form einer Bank oder eines Notars) auskommen. Aus technischen Gründen muss daher die Transaktionshistorie für alle Teilnehmer einsehbar sein. Auch wenn der Empfänger in Form einer kryptografischen Adresse «anonym» und nicht mit seinem Namen und seiner Anschrift bekannt ist, hinterlässt dennoch jede Überweisung eine zurückverfolgbare Spur.

Taucht zu einer solchen kryptografischen Adresse ein echter Name auf – beispielsweise wenn man sich eine Pizza liefern lässt – kann die Historie wie ein Puzzle zusammengesetzt werden. Je mehr Teile, desto weniger anonym. Und damit gar nicht so attraktiv, wie mancher hoffen mag. Wesentlich unattraktiver jedenfalls als Schweizer Bargeld.

Anonymität ist hier nur ein Teilaspekt. Es geht im eigentlichen Sinne nicht darum, ob Sender oder Empfänger ein Name zugeordnet werden kann, sondern um die Geschichte des Coins, seiner Vorbesitzerschaft. Kurz: seiner Reise von einer Hand zur anderen. Kaufe ich einen Bitcoin, werde ich Teil seiner Geschichte. Dieser Coin kann möglicherweise früher an den finstersten Orten und in den unlautersten Händen gewesen sein. Etwa aus der Silk Road, vom Bitcoinica Raub oder aus den Mt.Gox Wallets.

Vor ein paar Jahren tönte es noch lautstark: Bitcoin sei Werk des Teufels und gehöre verbannt. Und aus den Chefetagen der Banken beobachtete man mit Erstaunen, dass die Blockchain weder durch schlechte Presse, Verbotsdrohungen, noch sonstige Massnahmen tot zu kriegen war. Wenn du etwas nicht besiegen kannst, mach es dir zunutze.

Mittlerweile bieten auch Banken und Investmenthäuser Kryptowährungen und gehebelte Finanzprodukte an. Seit Ende 2017 kann man Bitcoin sogar shorten. Allerdings hat die Sache einen Haken: Die klassische Finanzwelt hat ihre Regeln und Gesetze. Ein besonders dickes Regelwerk hört auf den Namen «Compliance» und verbreitet Furcht und Schrecken.

Der Compliance wird viel Produktivität geopfert, und oft auch der eine oder andere Kunde oder die eine oder andere Geschäftsbeziehung. So folgt man notgedrungen diesem Regelwerk aufs Wort und nimmt die Geldmittel – damit auch die Herkunft der Bitcoins – genauestens unter die Lupe. Und wenn die Transaktionshistorie nicht über jeden Zweifel erhaben ist, wird die Annahme verweigert.

Es sind genug Coins aus alten Zeiten im Umlauf, und man kann, ohne es zu wissen, Besitzer eines solchen werden. Ein Absurdum wird Realität. Wir sind in einer CoinZweiklassen-Gesellschaft. Coins direkt vom Mining (also noch mit weisser Weste, weil erst frisch aus der Blockchain geschlüpft) sind tendenziell mehr wert als ältere mit langer Historie. Um dem entgegenzuwirken, werden Protokolle ersonnen, welche die Historie verwischen. Und wer jetzt immer noch denkt, dass dies nur den bösen Jungs nützt, der möge sich fragen, ob es in seiner Brieftasche nicht vielleicht den einen oder anderen Franken gibt, den mal ein Finsterling in der Hand hatte.


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