Attraktive Schwellenländer für westliche Firmen

Das Wachstum in den Schwellenländern hat zwar etwas nachgelassen, doch ihre grosse Nachfrage nach europäischen Produkten beflügelt weiterhin exportorientierte Unternehmen.

Text: Madeleine Stäubli-Roduner

Investitionen in Schwellenländer haben es in sich. Westliche Anleger nehmen eine Vielzahl von Risiken auf sich, die sie oft ungenügend beurteilen können. Dazu gehören  die starken Wechselkursschwankungen und die Abhängigkeit von ausländischen Grossinvestoren. Erschwerend wirken auch die politische Instabilität und wirtschaftspolitische Fehlentscheide.

Als weiterer Unsicherheitsfaktor kommt hinzu, dass sich die Euphorie rund um die Wachstumsraten der Schwellenländer abgeschwächt hat. In den vergangenen Jahren ist deutlich geworden, dass Länder wie Russland, China oder Südafrika nicht grenzenlos oder risikofrei wachsen können. Manche Experten mussten ihre hochgesteckten Erwartungen daher deutlich nach unten korrigieren.

Kaufkräftige Mittelschicht

Trotz begrenztem Wirtschaftswachstum steigt in den Schwellenländern die Nachfrage der Bevölkerung nach westlichen Produkten. In Verbindung mit der europäischen Wirtschaftskrise führt dies dazu, dass sich hiesige Unternehmen noch stärker auf Exporte in diese «neuen» Märkte fokussieren. So haben sich die Umsätze europäischer Unternehmen in den Schwellenländern seit 2004 fast verdoppelt. Gemäss dem «Global Exposure Guide 2013» von Morgan Stanley tragen Schwellenländer bereits 33 Prozent zum Umsatz der europäischen Unternehmen bei.

Da vor allem in China die Mittelschicht stark wächst, steigt auch das Interesse an Verbrauchsgütern. So finden Unternehmen wie Nestlé, Unilever und Danone hier Märkte mit attraktiven Wachstumsraten. Auch Luxusgüter und Edelmarken wie Louis Vuitton oder Tag Heuer werden in China immer stärker nachgefragt. Denn Menschen mit grosser Kaufkraft streben einen westlichen Lebensstil an und bezeugen ihren neuen Reichtum gerne mit luxuriösen Labels.

«Von indirekten Investitionen in Schwellenländer profitieren unterschiedliche Akteure,» sagt Andy Brown, Senior Investment Manager beim britischen Investment-Spezialisten Aberdeen Asset Management. Aberdeen hält mehrere Beteiligungen an grossen Unternehmen, die in Schwellenländern aktiv sind. Dazu zählt beispielsweise die französische Supermarktkette Casino, die in Vietnam, Thailand, Kolumbien und Brasilien verschiedene Verkaufsformate betreibt. Oder der britische Bergbaugigant BHP Billiton, der grosse Mengen Rohstoffe nach China exportiert und im Reich der Mitte 30 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet. Die niederländische Unilever erzielt sogar 57 Prozent ihres Umsatzes in Schwellenländern.

Lokale Spezialisten als Konkurrenten

Die Vorteile von Investitionen in diese Konzerne liegen laut Brown darin, dass sich deren Unternehmensführungen auf hohem Niveau bewegen und den Schutz der Minderheitsaktionäre gewährleisten. «Aus operativer Sicht haben westliche Unternehmen meist das nötige Wissen, um ihren Massstab in den neuen Märkten erfolgreich zu setzen, derweil sie auch die bewährten Markenportfolios für die Konsumenten in Schwellenländern führen», erklärt er.

Allerdings ist es für Unternehmen mit einigen Hindernissen verbunden, auf fernen Märkten Fuss zu fassen. Neben Importzöllen erschweren heimische Anbieter mit Preisvorteilen den Markteintritt. Dazu meint der Experte: «Tatsächlich können einheimische Firmen in Schwellenländern erfolgreicher sein als ausländische Anbieter, da sie sich dank lokaler Expertise etabliert haben und den lokalen Geschmack besser treffen.»

Dass ein Fokus auf exportstarke Unternehmen für Investoren sinnvoll ist, belegt die Schweizer Uhrenbranche. Nach konjunkturell bedingten Einbussen haben die Uhrenexporte in den ersten sieben Monaten dieses Jahres nominal um 3 Prozent auf 12,63 Milliarden Franken zugelegt. Allein im Juli stiegen die Uhrenexporte nach China gegenüber dem Vorjahr um 49 Prozent auf 169 Millionen Franken. Dies ist laut Schweizer Uhrenverband der stärkste Zuwachs der letzten 30 Monate.  Begünstigt wird die positive Entwicklung durch das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China. Derweil gingen die Ausfuhren nach Hongkong und in die USA zwar leicht zurück, doch der mittelfristige Aufwärtstrend bleibt laut Uhrenverband intakt.

Nordics als Tor zu den Schwellenländern

Doch nicht alle können sich ein Stück vom Wachstum der Schwellenländer abschneiden. Auf Länderebene gibt es grosse Unterschiede, was das Exposure betrifft. Den höchsten Anteil an exportorientierten Unternehmen weist im Euroraum Skandinavien auf. In Norwegen beispielsweise werden weit über 40 Prozent der Einkünfte in diesen Märkten erwirtschaftet – Tendenz steigend.

«Die Exportorientierung sowie die Ausrichtung auf Schwellenländer verleihen dem Gewinnwachstum der nordischen Unternehmen zusätzlichen Schub», sagt Karl Høgtun, Manager des DNB Scandinavia Funds des norwegischen Vermögensverwalters DNB Asset Management. In Skandinavien gibt es eine Reihe global führender Unternehmen, die sich eine starke Positionierung in aufstrebenden Ländern aufgebaut haben. Unternehmen wie ABB, Volvo, AstraZeneca PLC, Telenor, Millicom, Telia/Sonera, ISS, Kone und Wartsila exportieren etwa ein Drittel der Exporte in Schwellenländer. Im langfristigen Vergleich schlagen die Nordics – nicht zuletzt wegen der genannten Gründe – den europäischen und den globalen Aktienmarkt.

Insgesamt bieten sich Unternehmen mit einem starken Exportfokus auf den «neuen» Märkten an. Wer westliche Standards in Bezug auf Unternehmensführung und Transparenz nicht missen und gleichzeitig auf die Wachstumsstärke der Schwellenländer setzen will, fährt mit solchen indirekten Investitionen gut.


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