Indexkonstruktion: Der Baukasten für einen Index

Passives Investieren stösst bei immer mehr Anlegern auf Anklang. Darüber freuen sich auch die Indexanbieter, deren Indizes die Grundlage für Indexfonds und ETF sind. Doch wie erstellt man überhaupt einen Index und was muss bei der Indexkonstruktion gelöst werden?

Text: Pascal Hügli

Das Indexieren hat in den vergangenen Jahrzehnten enorm an Popularität gewonnen. Niemals zuvor haben Investoren stärker auf passive Strategien gesetzt, um ganze Märkte, Sektoren oder Themen abzubilden. Grund dafür ist ein Umstand, der an der Börse seit langem bekannt ist: Abzüglich der Verwaltungskosten sowie Steuern schaffen es Fondsmanager nur selten, den Markt über mehrere Jahre hinweg zu schlagen. Das kostet aktive Manager natürlich Geld, weshalb der Druck auf sie zunimmt. Es ist daher wenig verwunderlich, dass immer mehr Investoren auf passive Instrumente setzen.

Die Grundlage eines passiven Anlagevehikels ist jeweils ein Wertpapier-Index. Dieser entspricht einer errechneten Grösse, die sich auf bestimmte und genau definierte Vermögenswerte bezieht. Es handelt sich somit nicht um einen empirischen, real existierenden Marktwert, sondern um eine abstrakte, veränderliche Grösse. Indizes werden schon länger erhoben. Was sich geändert hat, ist der Erhebungsgrund. «Früher fungierte ein Index primär als Stimmungsbarometer und hatte nicht den Anspruch, investierbar zu sein. Heute hingegen wird er meist mit einem kommerziellen Anspruch und als Basis für Finanzprodukte ins Leben gerufen», sagt Markus Goetschi, Index- und ETF-Spezialist bei UBS.

Der Zweck entstamme dem Interesse eines Kunden, der den Index als Investitionsgrundlage nutzen möchte. Je nachdem, woher die Nachfrage komme – ob von Käufer- oder Verkäuferseite – muss ein Index dementsprechend ausgestaltet sein, erklärt Goetschi. Indizes auf der Sell side würden vor allem von der Finanzindustrie, also den ETF-Emittenten, indexierten Anlagefonds und strukturierten Produkten nachgefragt. Auf der Buy side seien es institutionelle Investoren, die einen Index für die Asset-Allokation, für Performance-Analysen oder Benchmark-Berechnungen heranziehen.

Aktiv versus Passiv

Indexkonstruktion: Bestimmung der Zielmärkte

Der erste Aspekt ist jener der Repräsentation – was genau soll der Index abbilden und welche Probleme müssen bei der Indexkonstruktion gelöst werden? Es stellt sich die Frage nach der geografischen Ausrichtung: global oder länderspezifisch? Soll der gesamte Markt abgebildet werden oder nur gewisse Sektoren? Liegt der Fokus gar auf einem Segment, zum Beispiel grosskapitalisierte Unternehmen? Will man allenfalls spezielle Themen wie künstliche Intelligenz, Blockchain oder Nachhaltigkeit spielen? Sollen wissenschaftlich basierte Komponenten in die Indexentwicklung einfliessen? Solch konkrete Fragen würden heute vor allem in Bezug auf Blockchain-Indizes gestellt, führt Steffen Scheuble, CEO des Indexanbieters Solactive, an.

Ein Index sei wenig repräsentativ, wenn einfach auf Unternehmen gesetzt würde, die sich mit der Blockchain beschäftigen – denn das würden heute fast alle Unternehmen tun. Scheuble betont, man müsse als Indexanbieter insbesondere auf Firmen fokussieren, die an Blockchain-Anwendungen arbeiten oder solche, die von der Blockchain-Technologie profitieren. Die Frage nach dem Zielmarkt ist somit entscheidend. Es gilt, die richtige Balance zu finden, um mit dem Index-Produkt eine möglichst breite Kundenbasis ansprechen zu können. Wird ein Index auf Anfrage eines Kunden lanciert, soll dieser nicht nur dem Kunden dienen, sondern potenziell bei weiteren Investoren auf Anklang stossen. Damit soll sichergestellt werden, dass ein Indexfonds oder ETF nicht gleich wieder schliessen muss, nur weil das Volumen nicht mehr ausreicht.

Die Frage der Gewichtung

Ebenfalls entscheidend ist die Art der Gewichtung. Gewichtet man die einzelnen Indextitel nach deren Marktkapitalisierung oder nach deren Preisen? Oder soll gar ein alternatives Vorgehen gewählt werden, beim dem beispielsweise nach Faktoren (Qualität, Momentum, Volatilität, etc.) oder ESG-Kriterien gewichtet wird? Bei einem zentralen Punkt sind sich Goetschi und Scheuble einig: Ein Index muss transparent sein, sprich: regelbasiert. Anleger müssen wissen, wie der Index ausgebaut ist und nach welchen Regeln er funktioniert. Unter welchen Umständen fallen Titel aus dem Index? Wann wird eine Neugewichtung durchgeführt?

Die grosse Transparenz ist, gerade im Vergleich zu aktiven Fondsprodukten, ein zentraler Vorteil des passiven Anlegens. Scheuble verweist auf den Umstand, dass der S&P 500 vor nicht allzu langer Zeit noch nicht vollständig regelbasiert war. Ein Komitee habe darüber entschieden, welche Titel in den Index kommen und welche nicht. Die Anleger waren somit abhängig von den Entscheidungen des Komitees. Bei einem regelbasierten Ansatz könne der menschliche Einfluss auf ein Mindestmass reduziert werden, so die Meinung des CEO von Solactive.

Relevante Informationen müssen publik sein

Ebenfalls wichtig ist, dass der Index zu Börsenzeiten jederzeit verfügbar ist. Zu jedem Zeitpunkt muss man in Erfahrung bringen können, welchen Wert der Index hat und wie er sich aktuell zusammensetzt. Verzeichnet ein ETF ein Plus von zwei Prozent, möchte man als ETF-Anbieter natürlich wissen, ob der Index ebenfalls zwei Prozent gemacht hat. Für den Bereich des passiven Investing ist dies wichtig, da letztlich die Qualität und damit die Beurteilung der Vermögensverwalter davon abhängt. Denn nur wenn dieser über die nötigen Informationen zu einem entsprechenden Index verfügt, kann er diesen bestmöglich abbilden und so einen möglichst geringen Tracking Error erreichen – ein Qualitätsmerkmal für gute Arbeit vonseiten des Anlageverwalters.

Ebenfalls wichtig ist der Aspekt der Kontinuität. Gemeint ist: Als Indexanbieter hat man die Veränderungen am Markt und deren Auswirkungen auf die eigenen Indizes stets genau zu beobachten. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass ein Index stets an neue regulatorische Bedingungen angepasst wird. Der entsprechende ETF-Anbieter könnte sich entscheiden, den ETF auf diesen Index zu schliessen oder – das ist wahrscheinlicher – den ETF auf einen anderen Index abzustellen. Er kann auch den Indexanbieter konsultieren und versuchen, auf eine Anpassung des Index hinzuwirken. Dies ist einer von vielen Gründen, weshalb eine Kontinuität in Bezug auf Veränderungen im Markt gewahrt werden sollte.

In diesem Zusammenhang verweist Goetschi auf eine im September 2017 verabschiedete Änderung durch die Börse SIX. Emittenten von Finanzprodukten und Nutzer von Indexderivaten hatten einen Wechsel der Methodik des SMI angeregt. Sie schlugen vor, das Gewicht der grossen Titel zu kappen. Seither werden Titel, deren Gewicht 18 Prozent im SMI übersteigt, zum vierteljährlichen Index-Review jeweils auf 18 Prozent gekappt. Es werden also Titel auf 18 Prozent zurückgestuft, sobald zwei Titel im Index das Gewicht von 20 Prozent übersteigen. Natürlich darf das Eingehen auf Änderungsanfragen aus dem Markt dem Indexanbieter nicht die Unabhängigkeit kosten. Leidet die Reputation des Anbieters, werden seine Indizes auf dem Markt kaum die notwendige Akzeptanz finden.

Replizierbarkeit und Liquidität

Ein guter Index muss zudem replizierbar sein, ein Vermögensverwalter sollte also jederzeit die zugrundeliegenden Vermögensgüter kaufen können. Gerade bei neuartigen Themen wie künstlicher Intelligenz, Blockchain oder exotischen Ländern gibt es diesbezüglich nicht selten Schwierigkeiten. Das Aufsetzen eines ETF gestaltet sich schwieriger, wenn der Index nur synthetisch repliziert werden kann.

Dabei gibt es natürlich Einschränkungen respektive Ausnahmen. So kann es nachvollziehbar sein, dass Rohstoff-Indizes nur synthetisch nachgebildet werden können, da die einzelnen Rohstoffe nicht oder nur zu sehr hohen Lagerkosten physisch gehalten werden können. Auch bei der Liquidität gibt es Fallstricke. So nützt es wenig, wenn man die zugrundeliegenden Vermögensanlagen theoretisch zwar kaufen kann, in der Praxis aber jedes Mal einen Aufschlag bezahlt oder gar nicht erst bekommt. In diesem Fall kann man als Vermögensverwalter das «Underlying» niemals zum vom Index vorgeschlagenen Bewertungspreis kaufen. Ein natürlicher Tracking-Error zwischen Eigenprodukt und Index ist unvermeidlich.

Das ist auch der Grund, weshalb Indizes für Small Caps, also kleine Märkte, schwierig zu erstellen sind. Gerade in einer neu aufstrebenden Industrie wie der Blockchain ist die Liquidität vieler Produkte und Titel noch zu gering. Folglich wird in einer solchen Situation eher mit strukturierten Produkten gearbeitet. Während ein ETF ungefähr 50 bis 100 Millionen Anlagevolumen braucht, um rentabel zu sein, reichen bei strukturierten Produkten meist einige Millionen.


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