Börsenausblick 2016: Was Profis empfehlen

Börsenausblick 2016: Vier Experten äussern ihre Prognosen für das neue Börsenjahr. Wenig überraschend sind die Aussichten durchwachsen und das Umfeld bleibt für Anleger weiterhin anspruchsvoll. Einigkeit herrscht einzig beim Favoriten.

Text: Barbara Kalhammer

Das Jahr 2015 war geprägt von einer zunehmenden Volatilität und Unsicherheit an den Märkten. Belastend wirkten die Sorgen um die weiteren konjunkturellen Entwicklungen in China, die unklare Zinspolitik der amerikanischen Notenbank Fed und nicht zuletzt auch Terroranschläge. Besonders in den Sommermonaten verzeichneten die Märkte zum Teil starke Verluste. Die höheren Schwankungen hatten die Experten im 10×10-Ausblick Ende 2014 bereits auf dem Radar, und auch bei der Aktienselektion konnten sie überzeugen. So sagten sie den positiven Verlauf für europäische Wertpapiere voraus. Der Eurostoxx 50 kletterte im Jahresverlauf mehr als 4 Prozent, der deutsche DAX erreichte sogar ein Plus von 8 Prozent. Ebenfalls positiv waren ihre Prognosen für amerikanische Aktien – mit unterschiedlichen Erfolge: Während der S&P 500 knapp im Minus liegt, stieg der US-Technologieindex Nasdaq 100 um mehr als 9 Prozent.

Der Jahreswechsel bietet eine gute Gelegenheit, sein Portfolio möglicherweise den veränderten Marktbedingungen entsprechend auszurichten. Einen Anhaltspunkt dafür liefern auch in diesem Jahr vier Experten mit ihrem Börsenausblick 2016:

  • Peter Bänziger, Anlagechef der Vermögensberatungsgesellschaft Belvalor
  • Thomas Della Casa, Anlagechef bei der Neuen Helvetischen Bank
  • Maurice Pedergnana, Chefökonom der Zugerberg Finanz
  • Thomas Steinemann, Anlagechef der Zürcher Privatbank Bellerive.

 

Unsicherheitsfaktor Zinserhöhung

Gemäss den Experten stehen die USA am Scheideweg. So ist zwar die Situation durchaus solide, wie Thomas Steinemann sagt: «Die USA werden einmal mehr die Konjunkturlokomotive sein». Auf der anderen Seite besteht jedoch das Risiko einer Rezession. Ebenfalls skeptisch zeigt sich Maurice Pedergnana: «Im Wahljahr wird vieles positiv beurteilt, um Präsident(in) zu werden. Doch im Kern ist die Wirtschaft maroder, als viele denken.»

Das Hauptaugenmerk im kommenden Jahr liegt beim Leitzins der amerikanischen Notenbank Fed. «Die Wirtschaft ist robust genug für den Beginn der Zinswende – nur ist es auch das Fed?», fragt Thomas Steinemann. Peter Bänziger erwartet 2016 ein stabiles Wirtschaftswachstum von etwa 2,5 Prozent, bei den Zinsen sieht er maximal drei Zinsschritte zu je 0,25 -Prozent.

Wie genau sich die Zinserhöhungen auf die Börsen auswirken werden, ist nicht ganz klar. Steinemann erwartet keine grossen Belastungen. Im Jahre 2004 zeigte sich, dass steigende Zinsen die Aktien nicht zwingend negativ beeinflussen müssen. Alles in allem werden die Aktien im kommenden Jahr wohl keine grossen Sprünge machen. Ganz oben auf der Favoritenliste stehen Technologiewerte, die bereits im vergangenen Jahr die grössten Gewinne verzeichnen konnten. «US-Technologiewerte sind die -Innovationstreiber und verleihen dem Markt einen Reiz», fasst Bänziger zusammen.

Durch die unterschiedlichen Zinspolitiken in Europa und den USA kommt es zu einem Auseinanderdriften amerikanischer und europäischer Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Doch aufgrund der tiefen Zinsen sind die Staatsanleihen der Industriestaaten prinzipiell keine Kaufoption. «Finger weg von diesen Staatsanleihen, damit wird Geld vernichtet», sagt Thomas Della Casa. Dieser Meinung schliessen sich die anderen Experten an. Pedergnana meint sogar: «Zinslose Risikopapiere, die nicht ins Depot eines Privatanlegers gehören.»

Ausblick2016-01_10-2015Ausblick2016-02_10-2015Chancen in Europa und in der Schweiz

Wenn schon Europa, dann in Form von Aktien. Thomas Della Casa sieht eine Verbesserung der Konjunktur in Europa. Damit sind auch die Aussichten für Aktien durchwegs positiv – anders als in den USA sind sie durchaus fair bewertet. Auf den Favoritenlisten finden sich Dividendenwerte und vor allem deutsche Titel.

Ebenfalls optimistisch zeigen sich die vier Ökonomen für den heimischen Aktienmarkt, obwohl die Schweiz «weiterhin in der Wachstumsfalle steckt», wie Della Casa betont. Aus diesem Grund dürften die Aktien im globalen Kontext auch schwächer abschneiden. Er empfiehlt, auf Qualität zu setzen. Pedergnana erwartet, dass es bei den Gewinnen durchaus zu Überraschungen kommen könnte.

Ähnlich unklar wie für die USA sind auch die Aussichten für die Emerging Markets. Das dürfte auch daran liegen, dass die Staaten längst nicht mehr alle in einen Topf geschmissen werden können. Anleger müssen klar zwischen den verschiedenen Regionen entscheiden. Peter Bänziger: «Die Staaten befinden sich in einer schwierigen Tranformation, aber möglicherweise- bieten sich 2016 Einstiegschancen.» Das grösste Potenzial- -sehen die Experten in Indien, aber auch China, Taiwan, Vietnam und Korea finden sich unter den Favoriten.

Während Staatsanleihen der Industrieländer kaum noch Erträge bieten, sind Unternehmensbonds in den letzten Jahren zu einer wichtigen Renditequelle geworden. Diese Entwicklung wird sich 2016 fortsetzen. «Unternehmensanleihen sollte man als Kernanlage halten und dann diverse Renditetreiber wie Hochzinsanleihen oder Katastrophenbonds beimischen», rät Bänziger.

Teure Immobilienwerte

Beliebte Renditebringer waren auch die Immobilienwerte, doch nun dürfte das Pulver verschossen sein. «Teuer, teurer, Immobilien. Die Investoren unterschätzen die Risiken», warnt Della Casa. Wer dennoch nicht die Finger davon lassen will, sollte in Form von diversifizierten und unterbewerteten europäischen Immobilienaktien investieren, fährt er fort. Dies bestätigt auch Thomas Steinemann: «Immobilien-aktien sind den Fonds klar vorzuziehen.»

Insgesamt bleibt das Umfeld für Anleger auch im kommenden Jahr anspruchsvoll. Chancen bieten sich in jedem Fall in Europa, der Schweiz und bei Unternehmensobligationen. Im Fokus stehen die Entscheidungen der amerikanischen Notenbank. Wichtiger sind aber die wirtschaftlichen Entwicklungen. «Nicht niedrige Finanzierungskosten durch eine ultralockere Geldpolitik, sondern eine gesundere Wirtschaftsentwicklung mit entsprechend stabilen Rahmenbedingungen sind immer noch das vielversprechendste Umfeld für eine erhöhte Investitionstätigkeit», betont Pedergnana. Doch noch steht die konjunkturelle Entwicklung in Europa und auch in der Schweiz auf wackligen Beinen.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die aktuellen Erholungstendenzen im kommenden Jahr fortsetzen und ob sich allenfalls sogar die Politik des billigen Geldes dem Ende zuneigt.


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