Die Bedeutung des Rebalancings im Anlageprozess

Anpassungen des Portfolios sind entscheidend, um das Abweichungsrisiko gegenüber der Benchmark zu steuern. Die optimale Umsetzung hängt stark von der spezifischen Kostensituation und vom individuellen Nutzen-Kalkül ab. Einige grundlegende Kriterien erleichtern den Prozess.

Text: Gastbeitrag: Dr. Damian Real, CFA, Senior Consultant und Philipp Weber, CFA, Senior Consultant, c-alm AG

Viele Anleger sind sich einig, dass die Bestimmung der mittel- bis langfristigen Anlagestrategie einen zentralen Schritt des Anlageprozesses darstellt. Gemäss weitverbreitetem Verständnis wird dazu ein Benchmarkportfolio gebildet, in welchem für jede gewünschte Anlagekategorie ein Benchmark gewählt und mit einem Gewicht versehen wird. Durch die so definierte Strategie kann in der Regel ein Grossteil der Streuung der effektiven Portfoliorenditen erklärt werden.

Im Rahmen der Anlagetaktik wird nachgelagert eine kurz- bis mittelfristige Übergewichtung gegenüber den Strategiegewichten gewählt. Gemäss empirischen Untersuchungen ist der Anteil der Streuung der Portfoliorenditen, der durch die Taktik erklärt wird, eher gering. Das Vorzeichen des Renditebeitrags der Taktik ist zudem leider oft negativ.

Das Portfolio-Rebalancing dient dazu, das Abweichungsrisiko gegenüber dem vom Investor vorgegebenen Benchmarkportfolio – sei es die Anlagestrategie oder die Anlagetaktik – zu steuern. Das zulässige Über- oder Untergewicht gegenüber der Zielvorgabe wird dabei basierend auf einigen einfach nachvollziehbaren Regeln bestimmt. Im Rahmen von passiven Gemischtmandaten bedeutet dies unter anderem den Verzicht auf eine aktive Anlagetaktik.

Auswirkungen-Rebalancing

Eigenschaften von Rebalancing-Regeln

Eine Rebalancing-Regel wird durch folgende drei Eigenschaften definiert:

  • Prüffrequenz: In welchem zeitlichen Intervall soll geprüft werden, ob ein Rebalancing notwendig ist? Während eine kontinuierliche Überwachung vorstellbar ist, erfolgt die Überprüfung in der Praxis oft am letzten Handelstag jeden Monats.
  • Abweichungstoleranz: Welche Abweichung von der Anlagestrategie soll toleriert werden, bevor ein Rebalancing-Signal ausgelöst wird? Neben der Festlegung einer mehr oder weniger engen Bandbreite pro Anlagekategorie überwachen manche Vermögensverwalter auch die Abweichung von einem vorgegebenen erwarteten Schwankungsrisiko, den sogenannten Tracking Error.
  • Rebalancing-Mechanismus: Welche Anlagekategorien sollen bei einem Rebalancing-Signal in welchem Umfang gehandelt werden? In der Praxis können zwei stereotype Varianten von Rebalancing-Mechanismen unterschieden werden: In der ersten Variante werden bei einem Rebalancing-Signal sämtliche Anlagekategorien auf die Zielgewichte zurückgesetzt. In der zweiten Variante wird nur die Anlagekategorie auf das Strategiegewicht zurückgestellt, bei der eine Bandbreitenverletzung festgestellt wird. Ausgeglichen wird der entsprechende Kauf- oder Verkaufsauftrag durch eine oder mehrere entgegengesetzte Transaktionen in einer oder mehreren Anlagekategorien, bei denen die Abweichung zur Strategie das umgekehrte Vorzeichen trägt und möglichst stark ausgeprägt ist.

 

Welche Rebalancing-Regeln sind die richtigen?

Bei der Definition einer geeigneten Rebalancing-Regel kann sich der Investor an folgenden Rahmenbedingungen orientieren:

  • Handelbarkeit und Liquidität: Wenn Einschränkungen beim Auf- oder Abbau von Positionen bestehen oder ein Auf- oder Abbau nur zu prohibitiv hohen Kosten möglich ist, sind strikte Rebalancing-Regeln oft nicht umsetzbar. Es empfiehlt sich daher, solche Positionen von einer automatischen Regel auszulassen.
  • Transaktionskosten: Jede Transaktion verursacht sowohl explizite als auch implizite Transaktionskosten, die je nach Investorenkategorie und Verhandlungsgeschick stark variieren können. Explizite Transaktionskosten fallen in Form von Courtagen, Transaktionssteuern sowie Ausgabe- oder Rücknahmegebühren an. Implizite Kosten entsprechen der Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskursen, die letztlich vom Investor getragen werden müssen. Da die dem Investor verbleibende Nettorendite durch Transaktionskosten reduziert wird, müssen die durch eine bestimmte Rebalancing-Regel verursachten Transaktionskosten dem erwarteten Nutzen der Anpassungen gegenübergestellt werden.
  • Risikoaversion und Strategietreue: Je höher die Abweichungstoleranz, desto mehr erhöhen sich langfristig die Gewichte der riskanteren Anlagekategorien mit vergleichsweise höheren durchschnittlichen Renditen. Die Entscheidung für eine hohe Abweichungstoleranz ist damit gleichzeitig meist auch eine Entscheidung für ein höheres Anlagerisiko.
  • Zyklizität: Durch die Umsetzung einer Rebalancing-Regel wird implizit eine antizyklische Strategie verfolgt: Anlagekategorien, die im Vergleich zum Portfolio überdurchschnittlich rentiert haben, werden verkauft, Unterperformer werden gekauft. Eine geringe Prüffrequenz und ein breite Abweichungstoleranz führen dazu, dass der antizyklische Charakter der Strategie abgeschwächt wird. So kann das Portfolio einem Trend – sei er positiv oder negativ – länger folgen. Die Einschätzung des zyklischen Marktverhaltens ist daher für viele Vermögensverwalter eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Wahl der Prüffrequenz und der Abweichungstoleranz.

 

Fazit und Fallstudie

Es zeigt sich deutlich, dass es keine universell gültigen Rebalancing-Regeln gibt. Optimale Regeln gibt es nur basierend auf der individuellen Kosten- und Nutzensituation eines Anlegers. In Bezug auf die Kosten sollte dabei den effektiven Transaktionskosten Rechnung getragen werden. Bezüglich des Nutzens kommen der Risikoaversion und der Einschätzung zyklischer Marktbewegungen eine besondere Rolle zu. In der Praxis werden dazu oft historische Analysen beigezogen.

Die Darstellung auf der linken Seite zeigt am Beispiel eines ausgewogenen Portfolios den Vergleich zwischen einer rigiden Rebalancing-Strategie, bei der sämtliche Anlageklassen jeden Monat auf das Zielgewicht gestellt werden, mit zwei Transaktionskosten schonenderen Rebalancing-Strategien. Je weiter die Bandbreiten gefasst werden und je grösser das gewählte Prüfintervall, desto grösser die möglichen Abweichungen von der gewählten Anlagestrategie. Die Abweichungen haben sich im untersuchten historischen Zeitfenster nicht nur in Form von tieferen Transaktionskosten ausbezahlt, sondern auch in Form einer höheren Nettorendite. Diese ging jeweils mit einer höheren durchschnittlichen Aktienquote einher. Die gemessene Volatilität wurde dadurch allerdings nur unmerklich erhöht.

Gastbeitrag von Dr. Damian Real, CFA, Senior Consultant, c-alm AG und Philipp Weber, CFA, Senior Consultant, c-alm AG

Der Beitrag erschien in der Verlagsbeilage «Anlegen mit Weitsicht» in der Finanz und Wirtschaft am 19.03.2016


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