«Dividendenrenditen über 6 Prozent sind unglaubwürdig»

Thomas Schüssler von der Deutschen Asset und Wealth Management im Interview über gute Dividenden und Möglichkeiten das Nullzinsumfeld zu umgehen.

Text: Rino Borini

Herr Schüssler, ist die Dividende der neue Zins?

Aktien sind auf mittel- bis längerfristige Sicht derzeit definitiv attraktiver als Obligationen. Aber im gleichen Atemzug muss ich festhalten, dass jene, die aus dem  Bondmarkt in den Aktienbereich wechseln, mit anderen Marktrisiken konfrontiert sind. Dasselbe betrifft auch Anleger, die in Dividendenfonds investieren. Die Gefahr eines vorübergehenden Rückschlages ist vorhanden. Deswegen sollte der Zeithorizont mindestens fünf Jahre betragen.

Was ist eine gute Dividende?

Eine, die jährlich ausbezahlt wird und die über die Zeit steigt. Bleibt die Ausschüttung über mehrere Jahre konstant, so kann dies darauf zurückzuführen sein, dass der Unternehmensgewinn nicht ansteigt oder die Firma sich aktiv um eine stabile Ausschüttung bemühen muss.

Was ist im heutigen Umfeld eine gute  Dividendenrendite?

Hier müssen wir kleinere Brötchen backen. Was früher vier Prozent waren, sind heute drei. Das erachte ich aber durchaus als sehr attraktiv, da die meisten  Aktien um einiges teurer sind als noch vor wenigen Jahren. Wir erleben dieses Jahr rekordhohe Ausschüttungen.

Besteht die Gefahr, dass Unternehmen lieber eine hohe Dividende ausschütten statt ins eigene Wachstum zu investieren?

Gute Firmen schütten im Schnitt 40 bis 50 Prozent des Gewinnes aus. Sie haben also noch einiges übrig, um zu investieren. Aber das aktuelle wirtschaftliche  Umfeld sieht so aus, dass einige Firmen weniger investieren und in der Bilanz Kassepositionen aufbauen, die aktuell negativ verzinst werden. In diesen Fällen dürfte die Ausschüttung gerne höher ausfallen.

Sind Firmen, die mit hohen Dividenden locken, interessant?

Sagen wir es so: Wenn ich Dividendenrenditen von über sechs Prozent sehe, wirkt das – im heutigen Umfeld – wenig glaubwürdig. Würden Marktteilnehmer  davon ausgehen, dass diese Dividenden nachhaltig sind, dürften die Aktien höchstens vier bis fünf Prozent Rendite aufweisen. Zudem muss sich ein Investor, der höhere Ausschüttungen anstrebt, eines entsprechend höheren Risikos bewusst sein. Und nicht zu vergessen: Je höher die Dividendenrendite, desto grösser ist die Gefahr einer Kürzung.

Auf welche Faktoren achten Sie bei der Titelauswahl?

Auf Unternehmen mit einem stabilen Geschäftsmodell. Diese sind wenig konjunktursensitiv, verfügen über eine Preissetzungsmacht bei ihren Produkten
und haben in Krisenzeiten bewiesen, dass sie erfolgreich navigieren können. Und diese Unternehmen verfügen in der Regel über eine stabile Dividende, die über  die Zeit sogar leicht steigt. Wichtig ist auch, dass diese Firmen eine gesunde Bilanzstärke aufweisen, so dass auch in weniger guten Geschäftsjahren eine Ausschüttung erfolgen kann.

Gibt es Sektoren, die historisch betrachtet immer lohnenswert sind?

Durchaus. Aus der Historie ist der Konsumsektor oder auch die Tabakindustrie sehr attraktiv. Auch im Pharmasektor sieht man immer wieder  Dividendenperlen. Es gibt unzählige Dividendenfonds.

Worauf sollte ein Anleger bei der Auswahl achten?

Anleger sollten Dividendenfonds immer über einen längeren Zeitraum bewerten. Denn die Qualität eines Fonds ist erst schlüssig zu beantworten, wenn man seine Entwicklung in allen Marktphasen beobachtet hat. Wenn der Markt stark steigt, sind Dividendenfonds in der Regel eher defensiv eingestellt. Die Essenz
ist, dass sich der Fonds aber auch positiv gegenüber dem Vergleichsindex entwickeln sollte, wenn der Markt seitwärts oder negativ notiert. Und das macht ja einen solchen Fonds aus, eine Art integrierter Kapitalpuffer. Wenn ich Ihren Fonds anschaue, fehlen mir mehr oder weniger Schwellenländer.

Warum verzichten Sie auf diese?

Wir sind aktuell rund fünf Prozent in Emerging Markets investiert. Wir versuchen, von den Perspektiven der Wirtschaft und des Wachstums in den Schwellenländern über ein Investment in Aktien aus Industrienationen zu partizipieren. Dazu investieren wir in Firmen, die hohe Umsätze in diesen Ländern generieren. Der Grund ist einfach: Wir setzen stark auf Risikominimierung und investieren lieber in Unternehmen mit glaubwürdiger Rechnungslegung und geprüften Bilanzahlen aus Ländern mit stabilen politischen Verhältnissen.

Was bedeutet das Nullzinsumfeld für Fonds?

Die Kassebestände werden nicht verzinst, teilweise fällt eine geringe negative Verzinsung an. Daran können wir nichts ändern. Wir haben immer Kassebestände,  um reagieren zu können, wenn wir beispielsweise interessante Investmentchancen entdecken. Erstmals seit Lancierung wurde die Kassequote reduziert. Als Liquiditätsersatz haben wir kurzlaufende Staatsanleihen mit positiven Renditen gekauft. So kann man dem Nullzinsumfeld ausweichen.

Dr. Thomas Schüssler ist Portfolio Manager und Head of Equity Income bei der Deutschen Asset und Wealth Management.
sentifi.com

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