Sven Württemberger: «Es besteht definitiv Nachholbedarf»

ETF wurden bisher stark in der taktischen Vermögensverwaltung eingesetzt. Das ändert sich, sagt Sven Württemberger von iShares. Zudem liefert er Einblicke hinter die Kulissen der ETF-Branche.

Text: Rino Borini

Herr Württemberger, mir scheint, dass ETF in der strategischen Vermögensallokation noch nicht wirklich stark verbreitet sind. Geben Sie mir Recht?

Das Verhältnis zwischen Institutionellen und Privatanlegern ist nach wie vor etwa 9 zu 1. Getrieben wurden ETF bislang stark von den Profianlegern. Diese nutzten die Produkte bisher primär für taktische Massnahmen. Das ändert sich nun. Wir sehen, dass ETF verstärkt in der strategischen Vermögensallokation eingesetzt werden, zudem investieren sukzessive Selbstentscheider aber auch das Wealth Management langfristig in ETF.

Senkte deswegen die Industrie – auch iShares – die Verwaltungsgebühren?

Die Verwaltungskosten werden insbesondere für Kernprodukte gesenkt, bei denen eine strategische, langfristige Allokation im Vordergrund steht und weniger die für taktische, kurzfristige Allokation notwendige Liquidität beziehungsweise Handelbarkeit. Dies ermöglicht uns, Produkte mit niedriger Verwaltungsgebühr anzubieten. Gekauft werden diese Produkte zunehmend von Privatinvestoren, bei welchen der langfristige Vermögensaufbau mit ETF im Vordergrund steht.

Dafür sind die Geld-/Briefspannen bei ihren Core-Produkten höher.

Ein Buy-and-Hold-Anleger benötigt in der Regel keine Intraday-Liquidität. Für ihn sind in erster Linie, wie bereits erwähnt, tiefe Verwaltungskosten von Bedeutung. Investoren die hingegen eher taktisch allokieren, daher öfter kaufen und verkaufen wollen, profitieren von einer noch höheren täglichen Liquidität sowie geringen Handelsspannen, die insbesondere unsere klassische Produktpalette dank der hohen verwalteten Vermögen garantieren kann.

Viele Anleger scheitern bei Fremdwährungen. Die währungsgesicherten ETF konnten rasch hohe Volumen einsammeln.

Das ist wirklich ein grosses Bedürfnis und der Nachholbedarf ist hoch. Investoren wollen sich zunehmend auf die reine Performance konzentrieren, getrennt vom Währungsrisiko. Gekauft werden diese Lösungen von Wealth sowie auch institutionellen Kunden. Gerade institutionelle Kunden schätzen die einfache Anwendung und verzichten zunehmend auf Future-Overlays, sondern lösen dies mittels ETF.

Warum gibt es beispielsweise auf breitgefasste Emerging Markets Indizes noch keine integrierte Währungsabsicherung?

Das Dollarrisiko abzusichern wäre sicherlich kein Problem. Aber eine Absicherung der vielen lokalen Währungen im Index würde ein solches Instrument rasch teuer machen. Ich sehe Hedged-ETF derzeit im Obligationenbereich spannender, da fehlt mir so einiges noch.

Die meisten ETF basieren auf marktkapitalisierten Indizes. Die Kritiker warnen von Klumpenbildungen. Was ist ihre Antwort dazu?

Das ist ein valider Punkt. 98 Prozent aller ETF sind nach diesem Schema aufgesetzt und die Mehrheit der Anleger fühlt sich anscheinend wohl. Aber auch ein Trend in Richtung alternativer Gewichtungsmodelle ist im Gange.

Sie sprechen von Smart-Beta. Dieser etwas unpassende Begriff hat sich mittlerweile eingebürgert. Wie «smart» kann ein Index denn tatsächlich sein und wo endet «smart»?

Der Begriff gefällt mir auch nicht. Smart suggeriert ja auch, dass die anderen Produkte nicht smart sind. Strategisches Beta gefällt mir eigentlich besser. Wenn es einen regelbasierten Ansatz gibt, dann ist es, um in dieser Terminologie zu bleiben, noch eine smarte Sache.

Auf welche Kriterien soll ein strategischer Anleger achten?

Ganz verschiedene. Auf der Makroebene stellt sich sicherlich die Frage, mit welchem Anbieter er sich wohl fühlt. Ist das kein Kriterium, dann geht es um die Struktur: Soll das Produkt physisch oder synthetisch abgebildet sein. Wenn diese Entscheidung getroffen ist, geht es schnell um die Kosten, Handelbarkeit und Grösse des ETF. Dann muss die Entscheidung fallen, ob das Instrument für ein kurz- oder langfristiges Engagement genutzt werden soll.

Als Franken-Investor fehlt mir ein ETF, der den gesamten Schweizer Bondmarkt abbildet. Warum finde ich sowas nicht?

Im Obligationenbereich sind wir noch nicht da, wo wir sein wollen. Diesen Bereich sehen wir als einen der zentralen Wachstumsmärkte. Grundsätzlich sind verschiedene Produkte denkbar. Das können solche sein, die den Schweizer Gesamtmarkt abbilden oder aber auch ausländische Obligationenmärkte, die dafür währungsgesichert in Franken sind.

Wo liegt denn die Herausforderung?

Die Herausforderung liegt darin, ein Produkt zu lancieren, das zum einen dem gegenwärtigen Investorenbedarf gerecht wird, aber auch operativ darstellbar ist und nachhaltig am Markt platziert werden kann.

Ebenso fehlen Dachfonds hierzulande. Warum?

Wenn ich mit Privatbanken spreche, dann sagen mir viele, dass die Nachfrage nach ETF wächst. Dachfonds sind für die Beratung ein ideales Produkt, weil sie dem Berater ein Vehikel an die Hand geben, womit der Investor eine komplette Asset Allokation mit einem Produkt hat. Für den Privatkunden sind solche Instrumente sehr nützlich, denn so muss er sich nicht mit den einzelnen Produkten auseinander setzen, sondern er gibt es in professionelle Hände, zu kostengünstigen Konditionen. Da gibt es definitiv Nachholbedarf.

Sven Württemberger ist Leiter Vertrieb für die deutschsprachige Schweiz bei iShares
sentifi.com

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