Es gilt, Ruhe zu bewahren

Steigen die Zinsen, werden Aktien unattraktiver. Doch allgemeingültig ist diese Aussage nicht. Die Weltkonjunktur und die Unternehmensgewinne sind nämlich weiterhin stabil.

Text: Adriano B. Lucatelli*

Neben dem historischen Trump-Kim-Gipfel stand im vergangenen Monat vor allem die Geldpolitik im Vordergrund. Die US-amerikanische Notenbank hat wie erwartet die Zinsen um weitere 0,25 Prozent auf eine Spanne von 1,75 bis 2,00 Prozent und somit auf das Niveau vor der Finanzkrise vom Herbst 2008 angehoben. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat hingegen angekündigt, den Leitzins mindestens bis zum Sommer 2019 bei null zu belassen.

Somit bleiben die Aktienmärkte für Anleger weiterhin attraktiv. Es ist nicht mehr so, dass niedrige Zinsen Voraussetzung für steigende Aktienmärkte sind. Zu stabil sind zwischenzeitlich die Weltkonjunktur und die Unternehmensgewinne, als dass die Börsen durch niedrige Zinsen gestützt werden müssten. Politische Störquellen können zwar kurzfristig für Verstimmung sorgen, doch der Trend ist weiterhin positiv. Wir erachten auch das Risiko einer unkontrollierten Eskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China, wo immer höhere Strafzölle erhoben und Investmentrestriktionen angedroht werden, als gering. Somit dürfte es auch nicht zu einer scharfen Marktkorrektur kommen.

Das Umfeld für Anleihen bleibt herausfordernd. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Fed angesichts der starken Konjunktur und des Inflationsdrucks in diesem Jahr noch zwei weitere Male an der Zinsschraube drehen wird. Auf der anderen Seite werden die japanische Notenbank und die EZB die Zinsen noch länger niedrig halten. Die expansive Geldpolitik der EZB wird auch durch die Ankündigung Draghis, aus den Anleihekäufen per Ende Jahr auszusteigen, kaum tangiert. Die weiterhin expansive Geldpolitik im Euroland wird auch den Handlungsspielraum der Schweizer Währungshüter einschränken, sitzen sie doch im Seitenwagen der Europäer.

Der US-Dollar bleibt in guter Verfassung. Ausserdem könnten anhaltende Spannungen zwischen den USA und ihren wichtigsten Handelspartnern die Nachfrage nach dem Greenback als sicherem Hafen weiter beleben.

Steigende US-Zinsen und ein starker Greenback sind Gift für das Gold, so auch im Juni. Ein weiterer Grund für die tieferen Notierungen waren die nachlassenden geopolitischen Spannungen. Wir sehen für die kommenden Wochen durchaus die Möglichkeit, dass es vor diesem Hintergrund zu Gewinnmitnahmen und Leerverkäufen kommt. Wir erwarten vor diesem Hintergrund keine Erholung des Edelmetalls auf über 1300 US-Dollar.

Der Entscheid des Opec-Treffens vom 22. Juni in Wien, wo die Mitglieder einer Lockerung der Förderung um 1 Mio. Fass Rohöl pro Tag zugestimmt haben, dürfte vorerst den Preisdruck nach oben bremsen und mittelfristig zu schwächeren Notierungen führen.

*Der Ökonom Adriano B. Lucatelli ist Co-Founder und CEO von Descartes Finance, einem führenden Robo-Advisor in der Schweiz. Zudem hält er verschiedene Verwaltungsratsmandate. 

Disclaimer: Die gemachten Prognosen und Aussagen über die Finanzmärkte widerspiegeln die persönliche Meinung von Adriano B. Lucatelli zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können sich jederzeit verändern. Verweise auf bestimmte Wertpapiere, Vermögensklassen oder Finanzmärkte dienen nur zu Illustrationszwecken und sollten nicht als Beratung oder Empfehlung in Bezug auf den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren verstanden werden.


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