Nicht nur die Anzahl der ETF steigt rasant, ebenso die weltweit verfügbaren Indizes. Für fast jedes Segment wird inzwischen ein Stimmungsbarometer feil geboten. Im Zuge dessen haben Indexanlagen markant an Bedeutung gewonnen, obwohl einige am Ziel vorbeischiessen.
Text: Rino BoriniIndexiertes Anlegen ist keine neuzeitliche Erscheinung. Seit vielen Jahrzehnten sind «Indexierer», also passive Anlagestrategien verwaltende Portfoliomanager, am Werk. Auch Banken bieten seit mehreren Jahren unterschiedlichste Indexprodukte an. Die Basis bildet die zugrundeliegende Benchmark, die möglichst 1:1 abgebildet werden soll.
Vor einem Investitionsentscheid sollten Anleger die Zusammensetzung und Methodik studieren. Denn nicht das Anlageprodukt definiert das Rendite-/Risikoprofil, sondern die im Index enthaltenen Komponenten. Die Anforderung an den Index ist eine möglichst perfekte Abbildung des gewünschten Marktsegments. Das ist heutzutage gar nicht mehr so einfach. Mit dem weltweiten Erfolg der Exchange Traded Funds sind immer neue Indizes kreiert worden.
Der europaweit führende Indexanbieter Stoxx hat 3700 Indizes im Sortiment, Dow Jones Indexes bietet gar über deren 130 000. Kein Wunder, denn die Investoren suchen immer wieder neue Renditequellen, oder aber die Industrie schafft neue Indizes und Produkte, die nicht zwingend Investoren suchen, nach dem Motto: Angebot schafft Nachfrage. So können Anleger in jeder Anlagekategorie ein passendes Indexprodukt finden, aber auch innerhalb einer Vermögensklasse ganz gezielt Sektoren und Strategien umsetzen. Mittlerweile kann fast jedes Anlagethema «gespielt» werden.
Nicht jeder Index macht Sinn
Sowohl die Produktanbieter wie auch die Indexfirmen haben ein Interesse an neuen Stimmungsbarometern. Für die Indexanbieter ist es ein gutes Geschäft. Ein Produktanbieter zahlt dem Indexprovider für die Abbildungsrechte eine Lizenzgebühr. Diese Kosten könnten einer der Gründe sein, warum der weltweit führende ETF-Anbieter iShares künftig selbst Indizes berechnen will. Damit könnten die eigenen Kosten deutlich reduziert werden. Denn die Höhe dieser Komponente schwankt zwischen einigen wenigen und – bei sehr speziellen Indizes – 25 Basispunkten.
Es ist natürlich keine Novität, wenn Indexfondsanbieter eigene Messlatten berechnen. Auch Anleger rennen gerne neuen verheissungsvollen Anlagethemen nach. Doch nicht alles, was glänzt, macht in einem gesamtheitlichen Portfoliokontext auch wirklich Sinn. Im Vordergrund muss nach wie vor ein seriöser Investitionsgedanke stehen. Ob beispielsweise ein Formel1Index wirklich Sinn macht, sei dahingestellt.
Klar ist, dass thematische wie auch alternative Indexkonzepte die Nachfrage in den letzten Jahren haben steigen lassen. Jamie Farmer, Manager bei Dow Jones Indexes, ergänzt: «Als Reaktion auf die hohe Volatilität der Märkte in diesem Jahr halten Anleger insbesondere nach Indizes Ausschau, bei denen sich das Risiko im Vorhinein abgrenzen lässt.»
Transparenz und klare Regeln
Egal, für welchen Markt sich ein Investor interessiert, sobald sein Entscheid auf ein Indexprodukt fällt, muss er sich zwingend mit dem zugrundeliegenden Basiswert auseinandersetzen. Ein guter Index zeichnet sich durch ein klares und transparentes Regelwerk aus. Verfügt ein Index nicht über ein solches oder ist er nicht regelbasiert aufgestellt, dann Hände weg. In einem Indexregelwerk sind wichtige Informationen wie Indexcharakteristika, Titelselektion, Berechnungsmethoden oder die Indexüberprüfung definiert.
In diesem Zusammenhang gilt es, dem Auswahlverfahren Beachtung zu schenken: Wie werden die Indexkomponenten ausgewählt? Nur mit vertieften Indexkenntnissen lassen sich die effektiven Rendite/Risikocharakteristiken feststellen.
In einem nächsten Schritt geht es darum, ob ein Barometer als Kurs- oder Performanceindex ausgelegt ist. Dies ist insofern relevant, als damit von Anfang an klar ist, was mit den ausgezahlten Erträgen wie beispielsweise Dividenden geschieht. Sie spielen eine erhebliche Rolle für die Rendite eines Investors. Historisch betrachtet stammt nämlich rund die Hälfte des Gesamtertrags einer Aktieninvestition aus den Dividenden. Ein Index, der diese nicht berücksichtigt, wird als Kurs- oder Preisindex bezeichnet.
Die Krux der Gewichtung
In der Praxis haben sich verschiedene Berechnungsmethoden etabliert. Die einfachste Variante ist die Gewichtung der enthaltenen Wertpapiere aufgrund der Aktienkurse. Dabei werden die einzelnen Werte aufsummiert und schliesslich durch die Anzahl der Aktien im Index dividiert. Der weltweit bekannteste Index, der nach dieser Methode funktioniert, ist der Dow Jones Industrial Average. Diese Methode führt automatisch zu einer Übergewichtung von Wertpapieren mit hohen Kurswerten. Zudem ist die Aussagekraft beschränkt, denn die Methode zeigt die Bedeutung eines Unternehmens für den entsprechenden Wirtschaftsraum nicht wirklich.
Diesem Kritikpunkt weicht Dow Jones Indexes nicht aus. Indexspezialist Farmer bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel: «Darüber hinaus müssen sich alle Titel zwangsläufig innerhalb einer moderaten Kursspanne bewegen. Eine Aktie, deren Kurs nach oben oder nach unten deutlich von dieser Spanne abweicht, kann daher nicht in den Index aufgenommen werden, da sie sonst über-oder unterrepräsentiert wäre.»
Dieses Umstands hat sich der Indexanbieter Dow Jones angenommen. Die kürzlich lancierten US-Pendants für Europa und Asien, Europe Dow und Asia Dow, werden mit dem Gleichgewichts-Prinzip berechnet. Bei diesem Verfahren werden die einzelnen Indexkomponenten gleichgewichtet im Index repräsentiert und in regelmässigen Abständen angepasst. «Eine Preisgewichtung wäre für diese Indizes problematisch, weil das Kursniveau der Indexmitglieder von Land zu Land variiert. Die Gleichgewichtung macht jedoch eine jährliche Neuanpassung erforderlich, was einen Anstieg des Portfolioumsatzes zur Folge haben kann», so der Indexspezialist weiter.
Gekappter Index
Die meisten verfügbaren Indizes wenden eine Gewichtung nach Marktkapitalisierung an. Damit wird die Aussagekraft eines im Index enthaltenen Wertes auf das abgebildete Segment klarer. Hierbei werden die Aktienkurse mit der Anzahl der im Markt verfügbaren Aktien (Free Float) multipliziert und zur Bestimmung der Gewichtung genutzt. Dieses Indexprinzip bringt mit sich, dass in Haussemärkten boomende Aktien stärker gewichtet werden als Titel, die sich noch nicht so stark entwickelt haben.
Die Folge davon ist, dass der Anstieg eines Index auf einer kleineren Zahl bereits teurer Titel basiert, während günstige Aktien immer weiter zurück fallen. Auch das Risiko konzentriert sich auf Einzelwerte, was in einer Abwärtsbewegung negativ wirkt. Marktkapitalisierte Indizes sind aber das beste Abbild der Liquiditätssituation auf einem Markt.
Aus dem oben erwähnten Grund haben Anbieter «gekappte» Barometer eingeführt. In einem solchen Konstrukt werden bestimmte Maximalgewichtungen toleriert. Übersteigt ein Wert nun dieses Maximalgewicht, wird er zurückgesetzt. Ein gutes Beispiel hierzulande ist der Swiss-LeaderIndex (SLI). Dieser investiert in die 30 liquidesten und grössten Unternehmen im Schweizer Aktienmarkt. Das Indexgewicht der vier grösstkapitalisierten Titel ist mit jeweils 9 Prozent gekappt, die Indexgewichte der nachfolgenden Titel mit 4,5 Prozent.
Mit Fundamentaldaten zu Mehrwert?
Neben diesen drei klassischen Indexmethoden versuchen Anbieter immer wieder auch fundamentale Bewertungskriterien einzubinden. Nicht mehr die Marktkapitalisierung soll das Kriterium für die Indexzusammenstellung sein, sondern fundamentale Unternehmensdaten, die sich beispielsweise auf Gewinne, Umsätze, Dividenden beziehen. Bis jetzt haben sich fundamentale Indizes in der Breite nicht wirklich durchsetzen können. Und auch wenn ein regelbasiertes Verfahren dahinter steht, aktive Entscheide, zumindest beim Modell, wurden im Vorfeld definiert.