Minimum Varianz – Der Weg zur Rendite führt über das Risiko

Die Finanzindustrie buhlt gerne mit Rendite um Kunden. Sie folgt dem Wunsch, ohne konkrete Versprechen abzugeben. Ganz nach dem Motto: Wozu auf Risiken achten, wenn der Kunde Rendite will? Keine gute Idee. Ist Minimum Varianz eine Lösung?

Text: *Pius Zgraggen & Michael Frei

Privatanleger interessieren sich meist ausschliesslich für die Rendite ihrer Anlagen. Institutionelle Investoren achten zusätzlich auf die Differenz zur Marktrendite, den sogenannten Tracking Error. Eine minimale positive wie negative Abweichung zur Benchmark wird als gut taxiert.

Dieses Verhaltensmuster wird sich gemäss dem Psychologen und Nobelpreisträger Daniel Kahneman besonders bei den Privatanlegern kaum ändern. Die Finanzindustrie geht auf diese «Kundenbedürfnisse» ein: Für die Privatkunden konzipiert sie Anlageprodukte mit «Renditefokus», für die institutionellen Investoren gibt es reine Index- oder Indexnahe Produkte.

Nur wenige Anbieter wagen es, einen anderen Weg einzuschlagen, etwa indem sie sich auf Risiko anstelle von Rendite fokussieren. Doch weshalb sollte das gut sein, wenn der Anleger es doch anders wünscht?

Das Risiko in den Fokus rücken

Mit dem alleinigen Renditefokus begeben sich Investoren auf einen Anlagepfad, der zu einer teuren und suboptimalen Lösung führt. Dazu ein Beispiel: Nehmen wir einen Unternehmer, der mit seiner Firma jahrelang zweistellige Renditen erzielt hat. Vor kurzem hat er sein Lebenswerk verkauft, nun möchte er im Kapitalmarkt ähnliche Renditen erzielen.

Sein Finanzberater erklärt ihm, ohne Risiken gäbe es keine Rendite, aktuell sei sie sogar negativ. Als Unternehmer habe er auch Risiken eingehen müssen, um entsprechende Renditen zu erzielen. Der Berater schlägt ihm darum eine besonders attraktive Anlage vor: ein strukturiertes Produkt auf drei Goldminenaktien mit einem Coupon von zehn Prozent.

Der Berater zeigt dem Kunden einen ihm vertrauten Zusammenhang auf. Er sagt nichts offensichtlich Falsches, aber er liefert auch nicht alle relevanten Informationen. Denn solche Produkte sind oft eine Wette auf Einzelaktien mit Restriktionen. Fällt ein Aktienpreis unter eine gewisse Schranke, erhält der Anleger zwar die zehn Prozent Ertrag, aber nicht zwingend seinen vollen Einsatz zurück.

Selbst dann bleibt die Frage: Wird er für sein eingegangenes Risiko genügend entschädigt? In der Regel lautet die Antwort: nein, der Kapitalmarkt entschädigt Anleger für Wetten auf einzelne Aktien nicht ausreichend. Der Grund liegt in der verpassten Möglichkeit, ein Aktienportfolio zusammenzustellen, das bei gleicher Rendite deutlich weniger Risiko aufweist.

Doch wie diversifiziert man ein Portfolio optimal? Eine naheliegende Lösung scheint, dem Investitionsverhalten der Mehrheit, dem Marktdurchschnitt, zu folgen, wie dies mittlerweile ein Grossteil der institutionellen Investoren macht. Die gängige Begründung lautet: Der Durchschnitt kann ja nicht so falsch liegen.

Der österreichische Genetiker Markus Hengstschläger würde dazu sagen: «Es ist leichter, mit der Mehrheit zu irren, als alleine Recht zu haben.» Denn Daten  belegen, dass der «Marktdurchschnitt» in Form eines Aktienweltindex nicht die bestmögliche Rendite für das eingegangene Risiko abwirft.

Doch wie kann ein Anleger seine Aktien auswählen und gewichten, damit das Portfolio aus heutiger Sicht eine Chance hat, die höchste erwartete Rendite für ein bestimmtes Risiko zu erzielen? Die Lösung kennt die Finanzliteratur bereits seit den 1950er-Jahren. Harry M. Markowitz, der Vater der modernen Portfoliotheorie und Nobelpreisträger, empfahl 1952 in seiner Dissertation, dass Anleger die erwartete Portfoliorendite maximieren sollten bei gleichzeitigem Minimieren des Portfoliorisikos gemessen als Varianz. Die heute bekannte Effizienzgrenze wurde damals Minimum-Risiko-Linie genannt.

Der wohl wichtigste Aspekt in Markowitzs‘ Arbeit war die Feststellung, dass es nicht auf das Risiko einzelner Aktien ankommt, sondern auf das Portfoliorisiko. Für eine effiziente Gewichtung der Aktien müssen die Korrelationen berücksichtigt werden.

Das Risikobudget sinnvoll einsetzen

Minimum-Varianz-Portfolios minimieren das Risiko und liegen auf der Effizienzgrenze ganz links. Weil es kein Portfolio gibt, das bei gleichem Risiko eine höhere erwartete Rendite hat, ist es ein nach Markowitz effizientes Portfolio. Im Gegensatz zu den anderen optimalen Portfolios ist zur Bestimmung des Minimum-Varianz-Portfolios keine Renditeprognose notwendig.

Kommen wir zurück zu unserem renditesuchenden Unternehmer. Statt sein Risikobudget für einzelne Wetten zu verwenden oder einen Aktienindex zu kaufen, kann er in ein Aktienportfolio investieren, das die Aktien gemäss Minimum Varianz gewichtet. Aktuelle Minimum-Varianz-Fonds zeigen im Vergleich zum Marktdurchschnitt ein bis zu 25 Prozent geringeres Risiko.

Der Unternehmer kann in einem gemischten Aktien-Obligationen-Portfolio bei gleichem Risiko einen deutlich höheren Aktienanteil halten als bei einem Portfolio mit Indexfonds oder Exchange Traded Funds. Dies ist reizvoll, weil Aktien langfristig eine höhere Rendite erzielen als Obligationen. Anstelle eines indexierten Portfolios mit einem Aktien-/Obligationenanteil von 40 zu 60 kann der Minimum-Varianz-Investor einen Aktien-/Obligationenanteil von bis zu 65 zu 35 halten (Grafik).

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Über die Risikominimierung durch optimierte Diversifikation und den sinnvollen Einsatz des Risikobudgets erhält der Investor eine höhere erwartete Rendite. Somit wird auch klar, weshalb das Ziel eines höheren Ertrags über das Risiko erreicht werden kann.

* Pius Zgraggen ist CEO und Gründungspartner, Michael Frei ist Partner von OLZ & Partners, einer Finanzboutique, spezialisiert auf risikobewusstes Anlegen und Minimum-Varianz-Fonds.


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