Peter Bänziger

Polit-Mini-Crashes, Prognosefähigkeit und ein möglicher Trump-Effekt

In vielen Medien wurde die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsident bedauert. Nicht so von den Aktienmarktteilnehmern. Diese haben sich die Antrittsrede von Donald Trump genau angehört. Was heisst das nun?

Text: Peter Bänziger, Partner Belvalor

Am 9.11.2016 hatte ich den Wecker auf 4 Uhr morgens gestellt, um die Ergebnisse der US-Präsidentenwahl mitzuverfolgen. In diesem Moment flimmerte die Nachricht über die Ticker, dass Trump in Florida die Oberhand gewinnen würde. Die Futures des S&P 500 wurden sofort 5 Prozent tiefer gehandelt, danach waren sie zeitweise «Limit down». Also stand ich auf, ass mit einem Auge auf den Fernseher gerichtet ein Sehr-Frühstück, ging in der Kälte mit meinem Hund spazieren und machte mich auf ins Büro – eine Analyse der Lage war angesagt, Kundentelefone, allenfalls Portfolio-Anpassungen.

Manchmal sollten Experten zugeben, dass ihre Prognosefähigkeiten sehr beschränkt sind – besonders bei politischen «Schock-Ereignissen». Als Beispiele wollen wir die zwei markanten politischen Geschehnisse dieses Jahres beleuchten: Den Brexit und die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Die nachfolgende Grafik zeigt gewisse Parallelen. Es handelt sich um den Verlauf der Mini-Futures auf den S&P 500.

bänziger_nov2016

Beiden Ereignissen ist gemein, dass die Umfragen im Vorfeld ein anderes Ergebnis prognostizierten. Bei beiden Ereignissen folgte auf die erste «Panikreaktion» mit deutlichen Abschlägen eine sehr rasche Erholung, im Falle der Wahl Trumps fand sie sogar am gleichen Tag statt. Der englische Aktienmarkt erzielte im Anschluss an den Austrittsentscheid und auch wegen der Abwertung des Pfundes (diese Bewegung wurde gut prognostiziert) sehr rasch ein neues Allzeithöchst. Von einer befürchteten «Katastrophe» oder einer Rezession keine Spur.

Bei der Wahl des im Vorfeld mindestens in den Medien sehr ungeliebten Donald Trump stürzte der Markt in der Nacht ab, allerdings weniger ausgeprägt als beim Brexit. Die Erholung setzte schon vor der Eröffnung in Europa ein – und die Schlusskurse lagen sogar deutlich im Plus. Wenn mir jemand gesagt hätte, nach einer Trump-Wahl würde der Schweizer Aktienmarkt ein Tagesplus von 2 Prozent aufweisen – ich hätte dagegen gewettet und meinen Einsatz verloren. Ich muss mir also ehrlicherweise eine Prognoseunfähigkeit bei solchen Ereignissen zugestehen. Weshalb liegen die «Experten» so oft falsch?

Ein sicher unvollständiger Erklärungsversuch: Erstens ist es schwierig, von sehr nahe beieinanderliegenden Umfragewerten auf das wirkliche Abstimmungsergebnis zu schliessen. Meist ist bei diesen «Polls» nämlich der Stichprobenumfang entweder nicht bekannt oder sehr klein. Der damit verbundene relativ grosse Prognosefehler wird nicht ausgewiesen. Zweitens basieren die aus den Umfragen resultierenden Prognosen auf Modellen der Vergangenheit. Drittens ist es nahezu unmöglich vorherzusagen, wie die Aktienmärkte auf ein Ergebnis reagieren werden, wobei man den unmittelbaren Effekt – also zum Beispiel einen Einbruch der Börsen im Falle des Brexit – noch recht gut einschätzen kann.

Der nachfolgende kurz- und mittelfristige Trend aber ist kaum zu prognostizieren. Ob ein normaler Anleger mit kurzfristigem Markttiming Geld verdienen kann, wage ich zu bezweifeln. Deshalb gilt es, sich als Anleger, Anlageberater oder Experte eine gewisse Bescheidenheit aufzuerlegen. Ein kluger Investor nennt diese Bescheidenheit Diversifikation. Übermässiges Selbstvertrauen in die eigene Prognosefähigkeit wird in den meisten Fällen irgendwann bestraft – und diese Erfahrungen sind in der Regel teuer.

In den meisten Medien wurde die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten bedauert. Nicht so von den Aktienmarktteilnehmern. Sie haben sich die Antrittsrede von Donald Trump genau angehört: Investitionen in Infrastruktur, Erneuerungen, Steuersenkungen und ein doppelt so hohes Wirtschaftswachstum hat er versprochen.

Selbst wenn der Trump-Effekt nicht ganz so toll wie versprochen ausfallen wird, dürfte er positiv sein. Es ist sonnenklar, dass primär die amerikanischen Unternehmen von seinen Plänen profitieren werden. Denken Sie aber daran: Die Bewertung eines Aktienmarktes, einer Aktie und der jeweilige Markttrend sind letztlich die Faktoren, die entscheiden, ob man Geld verdient oder verliert. Die Finanzmärkte sind fair: Sie geben demjenigen Investor Geld, der «richtig liegt», und sie nehmen demjenigen Geld weg, der falsch liegt. Eine Tapferkeitsmedaille für heroisches Durchhalten von falschen Positionen verteilen sie aber nicht. Deshalb mein heutiger Tipp: In Aktien investiert bleiben, aber bitte gut diversifiziert.

Peter Bänziger verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Verwaltung von privaten und institutionellen Vermögen. Vor seinem Wechsel zu Belvalor war er mehr als 10 Jahre als Anlagechef (Chief Investment Officer) und Mitglied der Geschäftsleitung der Swisscanto verantwortlich für verwaltete Vermögen von 53 Milliarden Franken in allen Anlagekategorien. Peter Bänziger ist bei Belvalor als Chief Investment Officer und Partner tätig.


sentifi.com

Top 10 meistdiskutierte Werte



Kommentar schreiben

  • (will not be published)