Politische Börsen haben kurze Beine

Nachdem die US-Notenbank Fed die Zinsen unverändert liess, zeigen sich die Investoren wieder risikofreudiger. Besonders die Börsen in den USA profitieren.

Text: Adriano B. Lucatelli

Der Entscheid der Briten, die EU zu verlassen, hat keine nachhaltigen Spuren an den Börsen hinterlassen. Zwar korrigierten die Märkte scharf, doch machten sie die Verluste rasch wieder wett. Auch die blutigen Anschläge in Nizza sowie der gescheiterte Putschversuch in der Türkei perlten an den Aktienmärkten ab.

Statt nachzugeben, haben die Börsen ein Erleichterungsrallye hingelegt, die niemand so erwartet hätte. Der US-Leitindex S&P 500 ging am 22. Juli sogar mit 2175,03 aus dem Handel und übertraf somit sein bisheriges Allzeithoch.

Börsen auf Erholungskurs

Aus historischer Sicht sind Aktien nicht mehr billig. Doch die Bewertungen relativieren sich vor dem Hintergrund der jahrelangen Niedrig- beziehungsweise Nullzinspolitik. Es ist anzunehmen, dass die Aktienmärkte weiter zulegen werden. Die Investoren erwarten, dass die Zentralbanken mit weiteren Geldspritzen auf die konjunkturellen Unsicherheiten reagieren werden.

Bei den Obligationen bevorzugen wir aufgrund der Politik des billigen Geldes Anleihen mit mittlerer bis langer Laufzeit. Bei den Hochverzinslichen braut sich jedoch Ungemach auf. Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Monaten einige Firmen ihre Anleihen nicht zurückzahlen werden. Das dürfte nicht nur den Energiesektor (vor allem Öl und Gas), sondern auch andere Branchen (Retailers, Supermärkte) treffen.

Gold wird sich auch in den kommenden Wochen und Monaten grosser Nachfrage erfreuen. Dafür sprechen die niedrigen Zinsen, welche die Opportunitätskosten des Goldhaltens reduzieren, sowie die hohe Nachfrage nach physischem Gold in Asien.

Der US-Dollar profitiert als sicherer Hafen weiterhin von den geopolitischen Unsicherheiten, aber auch von den jüngsten Unternehmenszahlen, die wir positiv bewerten. Ein Zinsschritt in diesem Jahr scheint also nicht mehr so unwahrscheinlich wie noch vor einem Monat, nach dem Brexit-Referendum. Auch die relative Stärke des US-Dollars dürfte zulegen. Die Anleger verlassen enttäuscht die europäischen Börsen und legen ihre Gelder stattdessen in US-amerikanischen Anleihen und Aktien an.

Der Ökonom Adriano B. Lucatelli ist Unternehmer, hält verschiedene Verwaltungsratsmandate und ist Dozent an der Universität Zürich. Lucatelli verfügt zudem über langjährige Erfahrung in verschiedenen Bereichen von Schweizer Grossbanken und hat mit Erfolg ein Schweizer Wertpapierhaus auf- und ausgebaut. Neben der Fliegerei nennt der lizenzierte Helikopterpilot Tennis und politische Literatur zu seinen Hobbys. 

Disclaimer: Die gemachten Prognosen und Aussagen über die Finanzmärkte widerspiegeln die persönliche Meinung von Adriano B. Lucatelli zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können sich jederzeit verändern. Verweise auf bestimmte Wertpapiere, Vermögensklassen oder Finanzmärkte dienen nur zu Illustrationszwecken und sollten nicht als Beratung oder Empfehlung in Bezug auf den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren verstanden werden.


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