Retrofreie Zeiten stehen bevor

Retrozessionen gehören den Kunden und nicht dem Anbieter, entschied kürzlich das Bundesgericht. Nun legt die Finanzmarktaufsicht nach und fordert von den Banken, aktiv auf ihre Kunden zuzugehen.

Text: Barbara Kalhammer

Retrozessionen werden seit vielen Jahren heftig diskutiert. Dabei handelt es sich um Provisionen, Gebühren beziehungsweise Rückvergütungen. Oft werden sie auch als Kickbacks bezeichnet. Bezahlt werden sie von Finanzprodukteanbietern an Vermögensverwalter, wenn diese ihre Gelder in bestimmte Vehikel investieren. In mehreren Entscheiden hat das Bundesgericht bereits festgehalten, dass externe Vermögensverwalter diese Retrozessionen an ihre Kunden weitergeben müssen. Nun haben die Lausanner Richter einen weiteren Entscheid in diesem Bereich gefällt: Auch Banken sollen die sogenannten «Bestandspflegekommissionen», die sie von den Produktanbietern bekommen, an ihre Kunden weitergeben müssen.

Somit können Bankkunden Rückerstattungen für vergangene Retrozessionen fordern. «Der Entscheid kam wenig überraschend. Aussergewöhnlich ist allerdings das Schreiben der Schweizer Finanzmarktaufsicht», sagt Rolf Wietlisbach, Leiter Bankenberatung bei PwC Schweiz. In diesem verlangt die Finma,der neuen Rechtslage sei umgehend Rechnung zu tragen. Die Banken sollen zur Herstellung der nötigen Transparenz alle potenziell betroffenen Kunden kontaktieren und sie über das Urteil ebenso in Kenntnis setzen wie über die interne Stelle in der Bank, die für weitere Auskünfte zur Verfügung steht. Sollten sich betroffene Kunden an die Bank wenden, so sei der Umfang der erhaltenen Rückvergütungen offenzulegen.

Sensibilisierung der Kunden

Gemäss Patrick Meyer, Director Regulatory Services bei PwC Schweiz, bedeutet das für die Zukunft, dass Retros abzuliefern sind, sofern der Verzicht des Kunden nicht vertraglich geregelt ist. Unklar sei bislang noch die Verjährungsfrist bei älteren Verträgen. In jedem Fall komme auf die Banken ein enormer administrativer Aufwand zu. Wietlisbach erwartet ausserdem eine Sensibilisierung der Kunden. Sie seienwohl nicht mehr länger gewillt, den Banken die Kickbacks zu überlassen. «Wir blicken retrofreien Zeiten entgegen», prognostiziert er. Einen Schritt in diese Richtung könnte auch das Finanzdienstleistungsgesetz darstellen. Es soll eine gesetzliche Basis bilden, um die Situation rund um Retrozessionen zu klären. Auch auf europäischer Ebene sind Kickbacks derzeit ein grosses Thema. Für die MiFID-II-Regelungen (Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente) gibt es verschiedene Fassungen. Als wahrscheinlich erachtet Meyer eine Variante, in der Gebühren erlaubt sind, jedoch nur unter voller Transparenz für den Kunden. Einzelne Staaten sind bereits einen Schritt weiter. So sind in Grossbritannien in der unabhängigen Anlageberatung Retrozessionen ab Anfang 2013 komplett verboten. Bei ETF fliessen in der Schweiz fliessen in der Regel keine oder nur geringe Retros.


sentifi.com

Top 10 meistdiskutierte Werte



Kommentar schreiben

  • (will not be published)