Digitale Vermögensverwaltung, Robo-advice, mit ETF

Der grosse Erfolg der ETF und die fortschreitende Digitalisierung verändern die Vermögensverwaltung grundlegend und schaffen einen Markt für automatisierte Vermögensverwalter, Robo-advice. Auch in der Schweiz gibt es bereits solche Anbieter.

Text: Rino Borini

Die Durchdringung von ETF ist bei Privatanlegern in der Schweiz gering. Das Wachstum in diesem Produktsegment ist primär von professionellen Anlegern getrieben. Sie, die Privaten, haben die Vorzüge bisher leider nur zum Teil entdeckt. Die USA sind diesbezüglich wesentlich weiter: Über dem Atlantik machen Privatinvestoren über 65 Prozent des in ETF verwalteten Vermögens aus.

Dass dieser Boom auch auf die Schweiz überschwappen wird, ist so sicher wie das Amen im Gebet. Drei wichtige Treiber sind dafür verantwortlich: Erstens profitiert durch das absehbare Ende der Retrozessionen die Industrie der börsengehandelten Indexfonds, denn diese zahlen keine Kickbacks. Zweitens verlangt das Tiefzinsumfeld ein Umdenken: Marktrenditen sind nicht zu steuern, Kosten hingegen schon. Und drittens spielt der Digitalisierungstrend den ETF-Anbietern in die Hände. Denn derzeit passiert das, was in anderen Industrien wie der Reise- oder Konsumgüterbranche bereits Realität ist: Der Endkonsument agiert digital und ist dank den schier unendlichen Möglichkeiten des -Internets bestens informiert.

Digitalisierung krempelt um

Ob Credit Suisse, Julius Bär, Bank Vontobel, UBS, Raiffeisen oder die Kantonalbanken: Alle sind gefordert, ihre Dienstleistungen an die digitale Realität anzupassen, die auch das margenträchtige Geschäft der Vermögensverwaltung betreffen und die Asset-Management-Industrie umkrempeln wird. Dabei geht es um mehr als hochmoderne und schön gestaltete Apps für das Smartphone – es geht um einen stattfindenden Paradigmenwechsel. Erste Anzeichen sind derzeit in den USA zu beobachten, etwa das starke Wachstum, das Online-Vermögensverwalter in den drei Jahren ihres Bestehens verzeichnen konnten. Bei Robo-Advice wird der klassische Vermögensberater ausgeschaltet, der Endinvestor verwaltet sein Vermögen, mit digitaler Unterstützung, alleine.

Die Robo-Advicers unterscheiden sich gegenüber den traditionellen Vermögensverwaltern in drei Punkten: Sie arbeiten mit automatisierter Software, sind bedeutend günstiger, und der Kunde verwaltet sein effizientes Portfolio selber. Das Vorgehen ist ziemlich simpel: Der Kunde bestimmt mittels eines Online-Frage-katalogs, der Elemente der Verhaltensökonomie (Behavioral Finance) berücksichtigt, sein persönliches Chancen-/Risikoprofil. Darauf basierend berechnet ein Algorithmus eine Vermögensallokation, die auf die Erkenntnisse der modernen Portfoliotheorie (effizientes Portfolio) abstützt. Die praktische Umsetzung der Strategie erfolgt mit kostengünstigen Indexvehikeln.

Bei diesem Prozess werden menschliche Eingriffe auf das Minimum reduziert, was dazu führt, dass Anbieter solcher Plattformen bedeutend tiefere- Vermögensverwaltungskosten aufweisen.

Etablierte steigen ein

Die bekannten US-Anbieter heissen Wealthfront und Betterment. Beide sind bankenunabhängig. Seit dem Start haben die beiden Vorreiter über vier Milliarden Dollar eingesammelt. Das ist angesichts der gesamten Vermögen natürlich ein Klacks, aber vor dem Hintergrund, dass sie zu Beginn über keine Kunden verfügten, ist es ein beeindruckender Wert. Und vor allem: Es sind Startup-Unternehmen.

Nun setzen auch die ersten etablierten Finanzdienstleister auf diese Art der Vermögensverwaltung. Mit Charles Schwab ist ein grosser US-Anbieter erfolgreich in dieses Geschäft eingestiegen. Innerhalb von nur drei Wochen sammelte das Haus eine halbe Milliarde Dollar ein.

Das neue Buzzword in der Vermögensverwaltung heisst also «Robo-Advice». Der Begriff ist aber verwirrend, denn hinter diesen Plattformen stecken nicht eigentliche Roboter, lediglich der Berater wird ausgeschaltet. Dahinter stehen Menschen, welche die Produkte untersuchen, die Software programmieren oder schauen, dass die Online-Portfolios richtig und effizient geführt werden.

Bei der automatisierten Vermögensverwaltung können ETF alle ihre Stärken ausspielen. Denn erstens lassen sie sich leicht in den finanzmathematischen Berechnungsprozess einbinden, da sie letztlich einfach den Markt abbilden. Zweiter Vorteil: Mit einer Transaktion in einen bestimmten Markt ist der Investor breit diversifiziert. Drittens können ETF wie Aktien an der Börse gehandelt werden, und letztlich sind die Produktgebühren bedeutend tiefer als bei anderen Kollektivierungsformen.

Chance statt Gefahr

Durch den Einsatz von börsengehandelten Indexfonds können die jährlichen Pauschalgebühren auf rund 50 bis 70 Basispunkte reduziert werden. Bei einer klassischen Bankenlösung müssten Anleger rasch mal 100 bis 150 oder noch mehr Basispunkte bezahlen.

Banken, die durch diese Plattformen nun eine Gefahr sehen, sind auf dem Holzweg, sofern sie sich nicht selber mit der Digitalisierung auseinandersetzen. Denn es gibt viele Kunden, insbesondere solche mit Vermögen unter einer halben Million, die für ein Institut kaum mehr rentabel sind. Ebenso decken diese Plattformen ein Bedürfnis ab für Anleger, die eben keine Vermögensverwaltung brauchen, wie sie bisher angeboten wurde. Mit diesen digitalen Unterstützern kann ein Bankhaus also sowohl seine Grenzkosten senken wie auch die Kundenzufriedenheit erhöhen.

In der Schweiz wagen sich zurzeit erste Anbieter an die automatisierte Vermögensverwaltung. Mit True Wealth ist der erste und bislang einzige bankenunabhängige automatisierte Vermögensverwalter entstanden. Das Schweizer Start-up konnte in knapp sechs Monaten über zehn Millionen Franken einsammeln. Um rentabel zu werden, reicht das natürlich nicht, doch das Jungunternehmen steht ja erst am Start.

Als erstes Bankenhaus ist die Glarner Kantonalbank (GLKB) auf den Trend aufgesprungen, vor drei Monaten lancierte sie den Investomat. Bei dieser Online-Plattform werde der ganze Prozess stark automatisiert, sagt Ivan Büchi, Leiter Multikanal bei der GLKB: «Es wird ein system-unterstütztes Risikoprofil erstellt und dementsprechend ein automatischer Anlagevorschlag generiert.» Dem Digitalverantwortlichen ist es aber wichtig, dass Anleger verstehen, was ein ETF ist: «Denn auch diese, obwohl in sich selber bereits -diversifiziert, unterliegen Wertschwankungen.»

Im Unterschied zu anderen Robo-Advice-Plattformen geht die Glarner Kantonalbank noch einen Schritt weiter – Innovation «Made in Glarus» sozusagen. Wie bei allen Plattformen geht es zwar primär um die Kernanlage, also das Vermögen, das auf lange Frist intelligent angelegt werden soll. Doch bei den Glarnern können Anleger freiwillig auch gleich – Satellitenanlagen bestimmen.

Innovation aus Glarus

In der ersten Version bietet investomat.ch neun Themen an, beispielsweise Dividenden und Immobilien Schweiz, Gold, Öl oder Wasser. Der Prozess verläuft zweistufig. «In einem ersten Schritt wird ein Anlagevorschlag passend auf das Anlegerprofil berechnet. In einem zweiten Schritt wird die Gewichtung zwischen- Basisanlagen- und Themen anhand einer Rendite-Risiko-Optimierung berechnet. Um Klumpenrisiken zu vermeiden, wird der Anteil eines Themas am Gesamtportfolio je nach Anlagestrategie unterschiedlich hoch limitiert. Der Kunde hat jederzeit die Möglichkeit, den berechneten Anlagevorschlag seinen individuellen Bedürfnissen anzupassen», so der Digitalchef weiter.

Wie bei der professionellen Vermögensverwaltung passen auch automatisierte Vermögensverwalter die Gewichtung der Anlageklassen regelmässig an die neuen Marktverhältnisse an. Bei der GLKB geschieht dies alle sechs Monate. Der Investomat lässt es den Kunden frei, ob und wann ein Rebalancing getätigt werden soll, «dazu hat der Kunde im Cockpit die Möglichkeit, diesen Automatismus auszuschalten», sagt Büchi.

Wegschauen bringt nichts, die Banken werden sich den neuen Realitäten früher oder später stellen müssen. Das heisst aber nicht, dass das Element Mensch in der Vermögensverwaltung komplett ersetzt wird. Denn in der gesamtheitlichen Vermögensbetrachtung inklusive Vorsorge- oder Immobilienthemen kann kein Computer den Finanzberater ersetzen.

Einzig bei der Bezeichnung könnte sich etwas ändern: Statt vom Vermögensberater könnte künftig vom Vermögenscoach gesprochen werden. Darüber wird auch an der Finance 2.0 Konferenz diskutiert: «Does robo-advice spell the end of the human adviser?»

Ausgwiesene Experten, wie Anthony Cagiati, Chef von Sound Capital, Richard Dratva (Mitgründer Crealogix), Felix Niederer, Gründer von True Wealth und Thomas Stokes (UBS) diskutieren unter der Leitung von Mirjam Staub-Bisang wie sich die Vermögensverwaltung verändern wird.


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