Viele Wachstumsstories kommen nicht an die Börse

Die meisten erfolgreichen Schweizer KMU sind nicht an der Börse. Viele davon zählen zu den vielversprechenden «Hidden Champions», die mehrheitlich etabliert, profitabel und schuldenfrei sind und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil ausweisen.

Benjamin Böhner

Titel mit grossen Wachstum findet man vor allem im Privatmarkt. Meist sind es innovative KMU, die konsequent auf Megatrends setzen oder mit echter Innovation aufwarten. Sie überzeugen mit überproportional hohen Umsätzen und Gewinnen. Diese sogenannten Growth Companies werden jedoch immer länger privat gehalten, bevor sie – wenn überhaupt – an die Börse gehen.

Im Gespräch erläutert Benjamin Böhner von Bellevue, ob Private Equity für Anleger eine echte Alternative darstellen.

Herr Böhner*, im Markt sieht man seit längerem hohe Zuflüsse von Investorengeldern in Private Equity. Was sind die Gründe?

Das anhaltende Tiefzinsumfeld, die rasant steigende Geldmenge und die entsprechend negativen Realzinsen sind die Hauptgründe für das steigende Investoreninteresse in Private Equity.

Warum ist aus ihrer Sicht Private Equity in einem Portfoliokontext generell interessant?

Eine Beimischung von Private Equity resultiert gemäss verschiedener Studien in höheren erwarteten Renditen. Warum sollte ein Investor, der ohnehin eine signifikante strategische, also langfristige, Aktienallokation hält, auf diese Illiquiditätsprämie verzichten wollen? Zudem erweitert Private Equity das Anlageuniversum entscheidend. In der Schweiz sind beispielsweise nur 0,01 Prozent aller Unternehmen an der Börse kotiert.

Dabei ist die Schweiz bekannt für wachstumsstarke und innovative KMU. Warum wählen diese immer seltener den Weg an die Börse?

Ein Börsengang ist grundsätzlich nur eine von mehreren möglichen Varianten der Kapitalbeschaffung, zudem geht er mit erhöhten Berichterstattungs- und Offenlegungspflichten einher. Auch führt ein Listing meist zu einem stärkeren Fokus auf kurzfristige Resultate, was sich negativ auf die langfristige Strategie auswirken kann. Diese Faktoren gilt es abzuwägen.

Ist Private Equity somit die einzige Möglichkeit, um von den Wachstumsaussichten der KMU zu profitieren?

Firmen, die konsequent auf einen Megatrend setzen, oder mit echter Innovation aufwarten, erzielen oftmals überproportionale Wachstumsraten. Meist sind diese KMU zum Zeitpunkt des Börsengangs bereits sehr hoch bewertet; falls sie überhaupt an die Börse gehen. Mit Growth Equity Investments kann man an solchen Growth Stories partizipieren.

Sie setzen auf Wachstumsperlen, doch im Private-Equity-Universum gibt es auch andere Strategien. Worin unterscheiden sie sich?

Während klassische Buyout Manager die bisherigen Eigentümer eines Unternehmens zunächst auskaufen, um die Kontrolle zu erlangen, investieren Growth Equity Manager im Rahmen einer Kapitalerhöhung direkt in das Unternehmen. Sie finanzieren das weitere Wachstum, während die Eigentümer und Manager typischerweise investiert bleiben. Anders als Venture Capital Funds investieren Growth Manager erst, wenn der Grossteil des technologischen Risikos bereits überwunden und das Geschäftsmodell selbsttragend geworden ist.

Auf was achten Sie bei der Wahl eines Investments? Wie gehen Sie konkret vor?

Wir entwickeln unsere Investments selektiv aus unserem proprietären Netzwerk heraus. Dabei achten wir vor allem auf ein starkes Inhaber- und Managementteam mit überzeugender Wachstumsstrategie. Zielunternehmen sollten am Markt etabliert sein, über klare Wettbewerbsvorteile verfügen und eine solide Bilanz vorweisen können.

Welche spannenden Firmen und Sektoren haben Sie derzeit auf dem Radar?

Wir interessieren uns besonders für innovative Branchen, in denen die Schweiz eine Führungsrolle besetzt. Dies können beispielsweise Cleantech, Fintech, IT und Kommunikation sowie Medizinaltechnik und Digital Health sein. Aber auch traditionellere Sektoren bieten immer wieder spannende Anlagen.

Investieren Sie auch in Start-up-Unternehmen?

Grundsätzlich nicht. Wir investieren aber in sogenannte in-house Ventures: Dabei bilden der Cashflow aus dem Kerngeschäft sowie der Leistungsausweis des Entrepreneurs einen wichtigen Risikopuffer für unser Investment.

Gehen Investoren bei diesen Investments ein höheres Risiko ein?

Klammert man Venture Capital aus, gehen Investoren a priori kein höheres Verlustrisiko ein als an den Aktienmärkten. Als Anleger muss man sich jedoch immer bewusst sein, dass ein Verkauf von Fondsanteilen während der Laufzeit mit einem meist deutlichen Abschlag verbunden ist.

Aus Anlegersicht ist Liquidität wichtig – vor allem, wenn es zu Marktverwerfungen kommt. Wie steht es um die Liquidität in Private Equity?

Als Private Equity Manager sind wir auf Wertmaximierung bedacht. Deshalb bauen wir unsere Beteiligungen über eine mehrjährige Investitionsperiode auf, achten auf gute Diversifikation und realisieren unsere Positionen über mehrere Jahre hinweg. So können die Auswirkungen etwaiger Marktverwerfungen auf die Fondsrendite reduziert werden. Bei unseren Portfoliofirmen achten wir vor allem auf eine solide finanzielle Situation mit hoher Liquidität, zudem gehen wir konservativ mit Leverage um.

*Benjamin Böhner, Business Development Bellevue


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