Warum der Tech-Hype ein gutes Ende nehmen wird

Der Technologiesektor erlebt mit der Coronakrise einen starken Boost. Die Aktien sind, nicht erst seit Apple die Zwei-Billionen-Marke geknackt hat, die neuen Anlegerlieblinge. Steuern wir auf eine Blase zu oder ist der Hype am Ende ein gerechtfertigter Hype?

Text: Thomas Berger
Tech-Hype

Technologie ist zu einem Treiber geworden, der neue Anwendungen möglich macht, innovative Dienstleistungen schafft und auch als Ideengeber für etablierte Unternehmen mittlerweile unerlässlich ist. Künstliche Intelligenz mit individualisierten Angeboten hebt Online-Shopping auf ein neues Level, Big Data inklusive Datensteuerung verbessert die Lebensqualität unter dem Stichwort Smart Cities. Weniger Staus, bessere Auslastung der öffentlichen Verkehrsmittel sind nur zwei Beispiele.

Der Technologieboom hat unbestreitbar einen Dominoeffekt ausgelöst, der sich mit der Zeit auf alle Sektoren auswirken wird. Nach Meinung von Mark Baribeau, Manager des PGIM Jennison Global Equity Opportunities Fund, liegt der Schlüssel zum Erfolg darin, Unternehmen aus dem Technologiesektor nicht als homogene Einheit zu sehen.

Stattdessen ist fundamental zwischen den Geschäftsmodellen zu unterscheiden, da es sehr reale Unterschiede gibt in der Qualität und Nachhaltigkeit der Einnahmen und der Cashflows, die sie derzeit generieren. «Unser Research zeigt, dass sich diese Merkmale auch auf Unternehmen mit technologisch getriebenen Vorteilen in anderen Sektoren erstrecken wie beispielsweise Social-Media-Unternehmen, die als Kommunikationsdienstleistungen fungieren, Internet-Einzelhändler und Anbieter von Streaming-Unterhaltung, die zu den diskretionären Konsumgütern zählen, sowie Roboterchirurgie-, Diagnostik- und biopharmazeutische Firmen, die als Healthcare-Unternehmen klassifiziert werden.» Genau diese haben Potenzial für interessante Wachstumsstories.

Dominanz des Technologiesektors im S&P 500

Aktien-Titel abseits der Schlagzeilen

Mit Apple ist ein Unternehmen erstmals in der Geschichte mehr als zwei Billionen Dollar wert. Für die erste Börsen-Billion brauchte der Gigant aus Cupertino 38 Jahre, für die zweite lediglich zwei. Der Ökonom Christian Rusche vom Institut der deutschen Wirtschaft hat ausgerechnet, dass der aktuelle Apple-Börsenwert dem Bruttoinlandsprodukt von 106 kleineren Volkswirtschaften entspricht.

Um das Thema Big Tech zu spielen, sollten Anleger nicht in Titel investieren, die gerade die Schlagzeilen beherrschen und entsprechend hoch bewertet sind, meint Mikko Ripatti von DNB Asset Management. Ein interessantes Beispiel sei der südkoreanische Smartphone-Zulieferer Samsung, der mit einem cash-adjustierten Kurs-Gewinn-Verhältnis von zehn bei einem Wachstum von fünf Prozent gehandelt wird.

Auch der Gaming-Sektor könnte die Wertentwicklung von Big Tech übertreffen. Mehrere strukturelle Wachstumstreiber prägen diesen Sektor: So unterschätzt der Markt die Margen und überschätzt die Zyklizität. Zugleich dürfte das zunehmende Streaming den adressierbaren Markt erweitern, während die digitale Distribution die Margen der Anbieter positiv beeinflusst. Japanische Branchenvertreter verfügen gegenüber ihren US-Pendants über grossen Aufholbedarf. Darüber hinaus sind sie sehr günstig bewertet und konnten in der jüngsten Vergangenheit mit starken Ergebnissen überzeugen. Aussichtsreich ist neben Sony und Nintendo auch Square Enix, ein Produzent von Videospielen und Mangas.

Tempo beschleunigt sich

Gegenüber den FAANG-Aktien sind inzwischen einige Anleger kritisch eingestellt. Malcolm McPartlin, Co-Manager des Aegon Global Sustainable Equity Fund, ist diesen Aktien aber nicht ausschliesslich kritisch. Sie hätten zwar eine unglaubliche Entwicklung durchgemacht, das heisse aber nicht, dass es für einen Einstieg schon zu spät sei, meint er.

Dabei spielen Big Tech die aktuellen strukturellen Veränderungen des Alltags und der Wirtschaft in die Hände: Das Tempo der Digitalisierung hat sich beschleunigt, noch bevor ihr die Coronakrise mehr Dringlichkeit verliehen hat. Der gemeinsame Nenner bei der Förderung dieser Trends sind die Techgiganten, die das umfangreichste Wissen und die am stärksten vernetzten Lösungen anbieten können. Aus diesem Grund konnten die FAANG-Aktien im ersten Halbjahr trotz des drastischen BIP-Rückgangs und der Schwierigkeiten vieler anderer Unternehmen ein signifikantes Umsatzwachstum verzeichnen.

Auch der Aktienspezialist McPartlin ist offen für Ideen aus dem gesamten Technologiesektor – und darüber hinaus. Tatsächlich könnten kleinere, kapitalschwache Unternehmen Technologie nutzen, um ihre Märkte zu revolutionieren, äusserst reizvolle Gelegenheiten für Investoren sein. Beispiele dafür sieht er vor allem im Gesundheitswesen, in der Industrie und im Konsumgüterbereich.

Risiko der Kumulation

Mittlerweile machen die FAANG-Titel mehr als 23 Prozent der Marktkapitalisierung des US-Barometers S&P 500 aus. Dass derart viel Liquidität in so wenigen Titeln steckt, ist gemäss Branchenkennern eine potenzielle Gefahr. Ähnlich sieht es auch Zehrid Osmani, Fondsmanager bei Martin Currie. Der Experte betrachtet lediglich Amazon als Unternehmen mit guten Aussichten. «Der Online-Shopping-Gigant hat die Fähigkeit, sich einige sehr starke strukturelle Wachstumstrends zunutze zu machen, und dominiert in bestimmten Sektoren, während das Management-Team weiterhin Milliarden ins Wachstum des eigenen Unternehmens investiert.»

Wenig Parallelen zwischen dem aktuellen Marktumfeld und der Dotcom-Blase sieht der Tech-Spezialist DNB. Allerdings könnte eine zu starke Konzentration auf wenige Titel wie bei den FAANG-Aktien das Risiko von volatilen Phasen erhöhen. «Vielleicht lässt man ein paar Prozent liegen, wenn man nicht in Apple & Co. investiert ist. Dafür ist man auch bei stärkeren Marktkorrekturen nicht beteiligt.» Das Fazit für Investoren: Fundamental macht der Kursanstieg – insbesondere bei den

FAANG-Titeln – durchaus Sinn. Langfristig denkende Investoren sollten jedoch diversifizieren, um das Risiko aus der Konzentration auf wenige grosse Titel abzumildern. Ein Ende des Tech-Booms ist allerdings nicht in Sicht.


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