Was kommt nach dem ETF-Volumenrekord

ETF sind preiswert, transparent und leicht verständlich. Selbst wenn die Volatilität wieder steigen und der Nervenkitzel an den Finanzmärkten zunehmen sollte, werden die genannten Attribute auch 2018 nach wie vor gefragt sein.

Text: Pascal Hügli

In Sachen ETF-Zuflüsse war das Jahr 2017 ein Jahr für die Rekordbücher: Wie State Street Global Advisors bekannt gab, flossen der ETF-Industrie im vergangenen Jahres insgesamt 633 Milliarden Dollar zu. Noch vor zwei Jahren waren es 378 Milliarden, vor drei Jahren 350 Milliarden. Dass es 2018 in gleicher Manier weitergehen wird, halten Experten für durchaus plausibel. Auch Robert Ruttmann, Gründer des Think Tank Redesigning Financial Services, ist der Überzeugung, dass sich der Trend zur anhaltenden ETF-Verbreitung unter Anlegern auch in diesem Jahr fortsetzen wird.

Als einen der wichtigsten Gründe nennt Ruttmann den Faktor Regulierung, speziell MiFID II. Dieser Vorschriftenkatalog ist seit anfangs Jahr in Kraft. Gemäss Ruttmann sind diesbezüglich vor allem zwei Aspekte relevant: Vermögensverwalter und Produktanbieter werden durch diese Regulierung zunehmend davon abgehalten, Provisionen und Retrozessionen für den Verkauf von Anlageprodukten mit hohen Margen zu kassieren. Ohne die lukrativen Kommissionen macht es für den Vermögensberater weniger Sinn, teure Fonds zu verkaufen, die Beratung wird zum entscheidenden Faktor.

Der Kostendruck im Wealth Management ist generell gestiegen. Banken sowie Vermögensverwalter spüren das in Form rückläufiger Margen. Gleichzeitig schaffe MiFID II strengere Anforderungen, bei den Produkten Kostentransparenz zu gewährleisten, so Ruttmann. Auf diese Weise sind Kunden besser über die Produktpalette informiert – es wird schwieriger, ihnen teure, aber kaum besser rentierende Anlageinstrumente anzudrehen.

Dass die Entwicklung hin zu mehr Eigenständigkeit und Mündigkeit bei Anlagekunden fortschreitet, zeigt sich – stellvertretend für die Gesamtindustrie – in der Schweiz. Wie ein Blick auf die einzelnen, alljährlichen Untersuchungen der Studie Fondswissen Schweiz von AXA Investment Managers offenbart, hat der Wissensindex, basierend auf Wissensfragen an die Schweizer Bevölkerung, von 43 Punkten im Jahr 2010 auf mittlerweile 53 Punkte 2017 zugenommen (die Zahlen für 2018 folgen im Mai dieses Jahres). Mit zunehmender Popularität des ETF-Marktes gewinnt dieser auch an Breitenwirkung, was wiederum das Interesse neuer Anleger weckt – eine positive Feedbackschleife.

Weil einfach einfach einfach ist

Das Interesse an ETF-Produkten speist sich auch aus deren Einfachheit. Unter dem Stichwort «Simplicity» forderten Kunden zunehmend bequemes, nachvollziehbares Investieren, stellt Christopher Gannatti fest. Als Produktexperte beim ETF-Provider WisdomTree weiss er um das Potenzial von ETF in dieser Hinsicht: «Kunden wollen wissen, in was sie investieren, welche genauen Produktkosten anfallen und wie ihre Anlageprodukte steuertechnisch zu verrechnen sind.» ETF würden hier eine immer grössere und stetig wachsende Auswahl bieten, die bei vielen Kunden nach wie vor einen positiven Überraschungseffekt auslösen würde, so der Spezialist von WisdomTree.

Mehr Zweckdienlichkeit und Einfachheit soll im Bereich des Wealth Management auch die Digitalisierung bringen. Allen voran die Robo-Advisor setzen auf einfaches, intuitives Design, das den Kunden eine grössere Selbstständigkeit bei der Verwaltung des eigenen Portfolios ermöglicht. Es kommt nicht von ungefähr, dass digitale Vermögensverwalter aus aller Welt auf ETF setzen. Können Robo-Advisor in absehbarer Zukunft tatsächlich immer mehr «Anlageland» gewinnen, werden auch ETF mitprofitieren.

Mit einer solchen Entwicklung rechnen mittlerweile auch traditionelle Vermögensverwalter. Wie Marco Strohmeier vom ETF-Giganten BlackRock versichert, hätten sich inzwischen alle grösseren Akteure auf dem Markt eine digitale Strategie zurechtgelegt. Nicht wenige würden über ein digitales Modell verfügen, das jederzeit aus der Schublade gezogen werden könne. Die gegenwärtige Kundschaft mag vielleicht noch in der herkömmlichen Anlagewelt verwurzelt sein, in der die persönliche Beziehung zwischen Kunde und Anlageberater dominiert. Mit den Millennials, die sich die Online-Kommunikation über Chats gewöhnt sind, könnte sich das ändern. So oder so würde der Markt für börsengehandelte Indexfonds von einem anhaltenden Aufstieg der digitalen Vermögensverwalter profitieren, ist der Leiter von iShares Deutschschweiz bei Blackrock überzeugt.

Spielverderber Volatilität

Auch die zunehmende Kostensensitivität der Kunden – diese ist längst nicht nur bei den Millennials auszumachen – spielt ETF-Produkten in die Hände. Der fortschreitende Abbau der Informationsasymmetrie zwischen Kunde und Berater lässt ersteren immer informierter werden, worauf die Forderung nach günstigen Produkten besser geltend gemacht werden kann. Doch der wichtigste Treiber der wachsenden Kostensensitivität seitens der Kunden sieht Gannatti im gegenwärtigen Negativrenditeumfeld.

Der Experte von WisdomTree kann die Haltung heutiger Kunden nachvollziehen, präziser auf die Kosten zu achten. Noch vor der letzten Finanzkrise waren die durchschnittlichen Marktrenditen höher, die Kostenseite spielte da weniger eine Rolle. Heute schauen Kunden stärker auf die Kosten, weshalb sie häufiger bei ETF landen würden, so Gannatti. Gemäss den ETF-Spezialisten scheint das Momentum also auch 2018 weiterhin auf der Seite passiver Anleger zu sein. Doch was müsste passieren, damit Zuflüsse in diese effizienten Indexvehikel auf breiter Front ins Stocken gerieten?

In den Augen Ruttmanns könnte ein starker Anstieg der Volatilität auf den Finanzmärkten den ETF einen Dämpfer versetzen. Denn die Erfolgsjahre der passiven Anlageinstrumente seien auch darauf zurückzuführen, dass die grossen Zentralbanken mit ihren Interventionen die Finanzmarktvolatilität systematisch unterdrückt hätten. Davon hätten vor allem ETF profitiert, da sie häufig ganze Märkte abbilden, so der Analyst. Oder wie es Gannatti von WisdomTree ausdrückt:«Die Flut hat schlichtweg alle Boote angehoben.»

«Der Trend ist intakt»

Auf einen Anstieg der Volatilität hofft die Branche der aktiven Manager, die sich bei stärkeren Marktschwankungen besser differenzieren kann. Diese Hoffnung könnte sich durchaus bewahrheiten. Während die Aktienmärkte im Januar noch Allzeithochs verzeichneten, kam es anfangs Februar zu grossen Verkäufen. Auch wenn sich die Märkte auf einem tieferen Niveau stabilisiert zu haben scheinen, könnten die nächsten Wochen und Monate aufgrund der angekündigten Zinssteigerungen durch die US-Notenbank erneute Turbulenzen bringen.

Sollten wir in diesem Jahr jedoch tatsächlich das Wiedererwachen der Marktvolatilität erleben, würde dies geschickten Aktivmanagern zwar wieder vermehrt die Chance geben, eine Überrendite gegenüber dem Markt zu generieren, die Verbreitung von ETF würde dadurch aber nicht gestoppt. Der fundamentale Trend Richtung ETF-Adoption ist weiterhin intakt, da sind sich die Experten einig.


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