«Mutig wäre eine Zinsanhebung um 0,25 Prozent»

Die Märkte stehen vor weiteren Zinsanhebungen, die wohl durch die US-Notenbank initiiert werden. Nils Thewes von der Deutsche Asset Management verrät, welche Gedanken sich Anleger in diesem Umfeld machen müssen.

Text: Rino Borini

Die Renditen einiger langläufiger Staatsanleihen sind stark gestiegen. Wie beurteilen Sie die Lage?

Diese Entwicklung ist nicht ganz überraschend, da FED und EZB eine Abkehr vonder jeweils sehr expansiven Politik umgesetzt haben. Zudem wurde eines der Hauptziele – die Inflation in Richtung Zielband zu heben – erreicht. Die Renditesteigerungen sind insbesondere im mittleren Laufzeitenbereich aufgetreten. Überraschend war für uns, dass sich die ganz langen Zinsen im Vergleich bisher geringfügiger ausgeweitet haben, was unseres Erachtens auch begrenztes Vertrauen in die nachhaltige Wirkung der Zentralbankpolitik ausdrückt.

Was erwarten Sie von den Zentralbanken?

Wir erwarten in den USA eine Fortsetzung des Zinserhöhungszyklus. 2019 könnten ebenfalls weitere Schritte folgen. Die Aufgabe der EZB ist ungleich schwieriger. Sie hat deutlich unterschiedliche Volkswirtschaften mit einem zentralen Steuermechanismus zu bedienen. Wir erwarten eine Anhebung des negativen Referenzsatzes erst für 2019. Damit liegt die EZB gut drei bis vier Jahre hinter der FED.

Und in der Schweiz?

Anders als die vorgenannten Volkswirtschaften richtet sich die SNB mit ihren Massnahmen stark an der Wechselkurssituation aus. Das Interesse der SNB muss sein, die Franken-Zinsen unterhalb der Euro-Zinsen zu halten, um ein weiteres direktes Eingreifen möglichst selten zu halten. Das jedoch schiebt der aus Anlegersicht gewünschten spürbaren Zinserhöhungen für den Moment einen Riegel vor. Mutig wäre eine Zinsanhebung um 0,25 Prozent. Wir glauben, dass der Eintritt des Zinserhöhungszykluses durch die SNB bis mindestens 2019 auf sich warten lassen dürfte.

Wie schützt sich ein Anleger vor rückläufigen Anleihenotierungen?

Das klassische Vehikel für ein Umfeld steigender Zinsen sind sicherlich variabel verzinste Papiere. Hier werden die Kursverluste durch die üblicherweise quartalsweise Zinsanpassung begrenzt, und sie profitieren von den steigenden kurzfristigen Zinsen. Für Franken-Anleger sehen wir die richtige Portfoliostruktur als beste Massnahme, um sich vor den steigenden Zinsen zu schützen. So sollte man ultralange Anlagen überdenken und bei kürzeren Anlagen mit niedriger Verzinsung den Vorteil sehen, dass man nach relativ kurzer Zeit in dann vermutlich steigenden Zinsen Wiederanlagen tätigen kann.

Positive Anleiherenditen finden sich bei längeren Laufzeiten oder schlechterer Bonität. Lohnt es sich, diese Risiken einzugehen?

In Erwartung steigender Zinsen sind längere Laufzeiten natürlich eher zu vermeiden. Die positiven Realrenditen, also Kaufrenditen abzüglich der Inflation, sind mit risikoarmen Titeln kaum zu erreichen. Je nach Währungsabsicherung sind für Franken-Investoren Fremdwährungsanleihen im langen Laufzeitenbereich mit zusätzlichen Risiken versehen. Wer glaubt, dass der positive Wirtschaftstrend bald sein Ende findet und die erwartete Inflation mit Zielwerten um zwei Prozent nicht nachhaltig bleibt, für den mögen lange Laufzeiten bereits wieder attraktiv erscheinen.

Wie steht es um die Kreditwürdigkeit der Schuldner?

Den Bonitätsaspekt bewerten wir aktuell mit akzeptabel. Die nun bereits länger andauernde Phase des wirtschaftlichen Wachstums bei niedrigsten Zinsen hat viele Unternehmen Reserven aufbauen lassen und auch Länder mit schwächeren Bonitätsbewertungen konnten vom verbesserten globalen Wachstumsbild wieder stärker profitieren. Entscheidend ist hier allerdings die richtige Titelauswahl. Das im Vergleich zu Aktienanlagen asymmetrische Ertragsprofil erfordert eine sehr präzise Auswahl der jeweiligen Obligationen, die im Erfolgsfall dann solide Erträgen liefern können.

In Zeiten tiefer und negativer Zinsen ist die Ausgestaltung des Obligationenanteils besonders anspruchsvoll. Woran soll man den individuellen Anleiheanteil ausrichten?

Es gilt, sich wie vor jeder Anlageentscheidung die Frage zu stellen: «Was ist das Gesamtziel meiner Anlage und welches Risiko kann und möchte ich dafür eingehen?» Das starke Eingreifen der führenden Nationalbanken in die globalen Zinsmärkte hat manche traditionellen Anlegergrundregeln ausgehebelt. Somit kann der «richtige» Anteil von Obligationen am Portfolio per se nicht mit einem fixen Prozentanteil bemessen werden, sondern ist abhängig von der individuellen Situation des Anlegers. Pauschal sollten Obligationen in keinem Portfolio fehlen und eher die Frage nach der Art des Segmentes gestellt werden. Ein Portfolio für Unternehmensanleihen für Laufzeiten bis fünf Jahre, mit Euro oder Dollar als Investmentwährung, kann eine positive Rendite erbringen, die bei entsprechendem Fälligkeitenfächer  eine absehbare Kapital- und Renditesicherung sowie Flexibilität in der Wiederanlage bringt.

Welche Rolle spielen Staatsanleihen?

Staatsanleihen sollten insbesondere im aktuellen Zinsumfeld nicht als Mussposition in einem Portfolio gesehen werden. Wenn Sicherheit und Liquidität jedoch als besonders wichtig erachtet werden, dann sollten Staatsanleihen nicht fehlen. Und dabei sollten ebenfalls die Lehren der jüngsten Vergangenheit im Hinterkopf behalten werden, bei der manche Staatsanleihen höhere Risikoaufschläge hatten als Unternehmensanleihen. Auch hier ist die Titelauswahl wichtiger als in der Vergangenheit.

Welche Anleihensegmente bergen Potenzial?

Der Anleihenmarkt hat sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt. Grundsätzlich erachten wir beispielsweise Hybrid Bonds als willkommene Erweiterung. Diese Titel werden von Unternehmen genutzt, um in erster Linie Kapitalquoten einer bestimmten Ratingkategorie der Ratingagenturen zu erfüllen. Dafür stehen diese Titel in einem Insolvenzfall nachrangig hinter normalen Anleihegläubigern, was eine bedachte Auswahl besonders wichtig macht. Sehr ähnlich sehen wir das auch für Kapitalstrukturbonds aus dem Banken- und Versicherungssegment. Hier hat sich seit der Bankenkrise ein anspruchsvolles und renditeinteressantes Segment gebildet, was im Obligationenformat unserer Meinung eine interessante Portfoliobeimischungsmöglichkeit darstellt.

Beide Anlagesegmente verlangen profundes Wissen.

Richtig. Beim letzteren Beispiel ist etwa zur Beurteilung der Titel eine tiefe Kenntnis der verschiedenen Rechtsrahmen äusserst wichtig. Beide genannten Klassen sollten jeweils als Beimischung verstanden werden und können eine Staatsanleihe in ihrer Art nicht ersetzen. Für kleine und mittlere Anlagevolumen bieten Fondsstrukturen den Vorteil der entsprechenden Diversifikation. Wichtig ist dabei ein erfahrenes und fachlich fundiertes Managementteam, welches die Segmente eng begleitet.

* Nils Thewes, Head Fixed Income Switzerland bei der DWS Schweiz


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