Kolumne
Fabian Schär
Fabian Schär  ist Geschäftsleiter des Center for Innovative Finance an der Universität Basel

Von öffentlichen und privaten Blockchains

Die wahre Innovation sind öffentliche Blockchain-Protokolle, schreibt unser Kolumnist Fabian Schär.

Immer wieder werden Stimmen laut, welche die Blockchain-Technologie als überbewertet oder gar unnütz bezeichnen. Blockchains seien ineffizient, so das Argument. Zentralisierte Alternativen könnten dieselben Daten schneller und kostengünstiger verarbeiten. Das Effizienz-Argument ist zwar korrekt, ignoriert aber die eigentliche Innovation und damit die Stärke einer öffentlichen Blockchain.

Erstmals entsteht eine Datenbank, deren Inhalte durch alle Teilnehmer verifiziert werden können. Unilaterale Manipulationen sind daher ausgeschlossen. Daten können besichert, nachweislich korrekt verarbeitet und Zustände eindeutig festgehalten werden. Spannend ist, dass der Begriff Blockchain vermehrt auch in zentralisierten Projekten auftaucht. So existieren Beispiele von Blockchain-Implementierungen, die durch wenige Parteien – teilweise sogar durch eine einzige Partei – kontrolliert werden. Die Rede ist von sogenannten Permissioned Ledgers, also von Systemen, die den Teilnehmerkreis auf Datenbankebene beschränken.

Eine solche Einschränkung muss nicht per se schlecht sein, unter gewissen Umständen kann sie Sinn machen. Wichtig ist aber, dass man sich bewusst ist, dass so essenzielle Vorteile der Blockchain verloren gehen, darunter auch der Schutz vor Manipulationen. Es besteht folglich die Gefahr, dass die neue Technologie jeglicher Innovation beraubt wird und die Grenzen zu normalen Datenbanken verschwinden.

Als vermeintliche Vorteile werden meist wohldefinierte Schnittstellen, standardisierte Kommunikationsprotokolle und eine gut geschnittene Architektur hervorgehoben. Dabei handelt es sich aber nicht um Vorzüge der Blockchain-Technologie: Diese Aspekte können mit jeder normalen Datenbank umgesetzt werden. Die Parallelen zu den Anfängen des Internets sind unverkennbar. So gab es auch damals Unternehmen, die auf eingeschränkte Versionen des Internets setzten – auf teilabgeschottete Netzwerke.

Heute befinden wir uns in einer ähnlichen Situation. Erstmals in der Menschheitsgeschichte können knappe digitale Werteinheiten geschaffen werden – auf einer dezentralisierten Infrastruktur, einem «Internet of Value», das nicht durch einzelne Unternehmen kontrolliert wird. Das ist die wahre Innovation der Blockchain-Technologie. Und doch wird genau dieser Vorteil heute bei vielen Projekten beschränkt oder gänzlich zunichte gemacht. Dabei könnten benötigte Einschränkungen innerhalb von Smart Contracts, über Sidechains oder durch kryptografische Hilfsmittel implementiert werden. Es könnte eine mehrschichtige Architektur entstehen, ähnlich wie beim Internet.

Der grosse Vorteil dabei wäre, dass dadurch sämtliche Optionen offen blieben; eine Flexibilität, die nur möglich ist, wenn die grundlegende Infrastruktur dezentralisiert bleibt. Ist das Fundament zentralisiert, verkommt die Dezentralisierung auf Anwendungsebene zur reinen Alibiübung. Bei der Diskussion rund um die Dezentralisierung geht es also nicht um blinden Idealismus, sondern um die Überzeugung, dass die grundlegendste Infrastruktur nicht durch einzelne Unternehmen kontrolliert werden soll. Die Technologie ist ein gutes Instrument, um der Systemrelevanz einzelner Unternehmen und den damit verbundenen volkswirtschaftlichen Risiken entgegenzuwirken. Falsch eingesetzt, kann die Technologie aber genau den gegenteiligen Effekt haben.

*Fabian Schär ist Geschäftsleiter des Center for Innovative Finance und hält eine Professur für «Distributed Ledger Technology (Blockchain) / FinTech» an der Universität Basel.


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