Vertrauenssache Mensch

Behavioral Finance – Vertrauenssache Mensch: Andreas Staub über die Relevanz von Vertrauen in Banking.

Text: Pascal Hügli
Andreas Staub

 

Andreas Staub, Behavioral Finance Ökonom, im Gespräch über die Relevanz von Vertrauen in Banking.

Herr Staub, worin besteht der Nutzen der Verhaltensökonomie?

Wir helfen Individuen und Institutionen, evidenzbasiert bessere Entscheide mit ökonomischen Konsequenzen zu treffen.

Der Mensch funktioniert aber nicht nach Gesetzen wie ein Atom. Er handelt zu irrational, affektiv und somit unberechenbar.

Ja, der Mensch handelt gerne im Autopilot intuitiv, impulsiv und geleitet durch Emotionen. In diesem Zusammenhang hat jeder Mensch gewisse Biases. Das führt zu beschränkt rationalem Verhalten. Essenziell ist aber, dass diese Verhaltensweisen systematisch und demnach eben nicht unberechenbar, sondern messbar sind. Diese Systematiken gilt es zu erkennen und zu verstehen.

Lässt sich Ihre Aussage konkretisieren?

Wir kennen die relevanten Verhaltenstreiber. Über die allgemeinen Präferenzen hinaus sind es Werte, soziale Normen, Identitäten oder Gewohnheiten, die unseren Alltag begleiten. Wir mögen automatische Abläufe, wo wir nicht viel überlegen müssen. Denkvorgänge ausserhalb des Autopiloten sind Anstrengung für das Gehirn.

Was bedeutet es, wenn Anleger Informationen stets via Smartphone abrufen können?

Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass die Grösse der Devices einen Einfluss auf unser Entscheidungsverhalten haben kann. Impulsiveres Verhalten an kleinen Bildschirmen wie am Smartphone können Nebenwirkungen erzeugen. Wenn ich deswegen meine Pizza mit mehr Extras bestelle, ist das harmlos. Für Anleger kann impulsiveres Verhalten aber unerwünscht negative Effekte zur Folge haben.

Wie zeigen sich solche Effekte?

Wenn ich über das Smartphone dauernd mit Börseninformationen berieselt werde, kann mich das anstacheln, mehr Trades zu tätigen. Langfristig ist das schlecht für das Portfolio. Im Durchschnitt nimmt die Performance ab, je mehr man über das Smartphone Anlageinformationen einholt und -entscheidungen trifft. Das hat man sogar empirisch gemessen.

Robo Advisor wollen das Sparen und Investieren für den Anleger einfacher machen. Ist ihnen also der Erfolg sicher?

Bei den «reinen» Robo Advisor frage ich mich immer: Warum werben sie mit günstigeren Preisen? Wenn sie doch so eine coolere und bessere Alternative zu den traditionellen Vermögensverwaltern sind, dann sollten sich die Preise sogar erhöhen lassen.

Was ist Ihre Antwort?

Offenbar ist die Zahlungsbereitschaft nicht vorhanden. Diese Robo Advisor ignorieren schlichtweg das wohl wichtigste Element, wenn es um Banking geht: Vertrauen. Banking ist ein Vertrauensgut. Bei einem solchen sind Beziehungen ausschlaggebend, da Menschen sehr starke soziale Präferenzen haben. Seit einem Jahr ist ein interessanter, klarer Trend erkennbar. Die Robo Advisor gehen in ein Hybrid-Modell über und es gibt im Business-Modell Menschen, die für die Kunden da sind. Irgendwie war das aus Sicht der Verhaltensökonomie vorhersehbar.

Robo Advisor sind also bloss etwas für weniger soziale Menschen?

Man könnte auch sagen: für eher rationale Menschen. Das ist aus meiner Sicht eine spannende Hypothese, die meines Wissens noch nicht empirisch geprüft wurde. Rein digitale Angebote im Banking sprechen eher Menschen mit weniger ausgeprägten sozialen Präferenzen an. Für sie ist das Vertrauenselement zum Berater weniger wichtig. Sie schauen viel eher auf den Preis und da sind Robo Advsior eben günstiger.

Die digitalen Vermögenshelfer haben also beim Menschen eigentlich keine Chance?

Doch. Ich würde einfach behaupten, dass es für rein digitale Versionen einen beschränkten Marktanteil gibt. Wie es der Begriff «digitaler Vermögenshelfer» schon ausdrückt. Es geht um digitale Unterstützung des Kundenberaters. Diesen hybriden Modellen gehört die Zukunft, denn das Vertrauenselement gehört zum Wesen des Menschen und zum Banking. Mutig in die Zukunft schauend ist spannend, ob man über das Thema «künstliche Intelligenz» – oder besser «künstliche Organismen» – auch eine vergleichbare Vertrauensbasis bieten kann.

Banking ist letztlich ja auch ein Vertrauensgut, weil die Finanzwelt kompliziert und für den Einzelnen kaum überschaubar ist.

Jein. Die Finanzwelt hat sich diese Unüberschaubarkeit selber eingebrockt und zwar unter anderem mit der Erschaffung von Finanzvehikeln, die nicht mal die Banker richtig verstehen. Gleichzeitig bilden Kundenberater ihre Kunden nicht genügend aus.

Warum eigentlich nicht? So könnten Banken «Apple Stores» für Finanzen anbieten?

Aus meiner Erfahrung herrscht bei den Bankern der Glaube vor, dass, wenn man Kunden ausbildet, diese dann keine Beratung mehr wollen, weil sie alles selber wissen. Die empirische Evidenz – basierend auf eigenen Untersuchungen in der Schweiz – zeigt allerdings das Gegenteil. Ausgebildete Kunden werden ihren Kundenberater mehr konsultieren – nicht umgekehrt.

Digitale Bankprojekte kämen nur schleppend voran, hört man. Werden Kunden zu wenig in der Anwendung derselben ausgebildet?

Banken haben in der Tat ein Problem auf der Digitalisierungsebene. Für Kundenberater stellt sich grundsätzlich die Frage, warum sie die Digitalisierung unterstützen sollten. Denn seit wir Onlineangebote auf- und ausgebaut haben, wurde ihnen verklickert, dass ihr Job bedroht sei. Man hat die digitalen Angebote meist so eingeführt, dass sie für den Kundenbetreuer eine Konkurrenz darstellen. Wenn also nicht einmal der Kundenberater die Online-Projekte unterstützt, wie soll dann bitteschön der Kunde dafür gewonnen werden können?

*Andreas Staub ist CCO und Managing Partner bei FehrAdvice & Partners AG in Zürich.


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