Eine Welt, zwei Wirklichkeiten

In der Schweizer Krypto-Szene hat sich eine Debatte über den Zugang zu Bankkonten entbrannt. Die Argumente beider Seiten sind nicht abwegig – zum Glück wird sich diese Problematik jedoch zunehmend entschärfen.

Text: Pascal Hügli

Bei einem Thema scheint sich die Schweizer Blockchain-Szene in zwei Gruppen mit komplett gegenteiligen Ansichten aufzuspalten. Als Spaltpilze gelten die Banken, die in den Augen der einen Seite viel zu restriktiv agieren. Vielen Krypto-Startups bleibt der Zugang zu einem Bankkonto in der Schweiz verwehrt. Teils werden sogar bestehende Konten gekündigt, wie einige Krypto-Projekte am eigenen Leib erfahren mussten. Eine wachsende Zahl Blockchain-Exponenten sieht daher die «Crypto Nation Switzerland», die Bundesrat Johann Schneider-Ammann Anfang 2018 ausrief, in Gefahr. Denn Krypto-Unternehmen haben in Ländern wie Liechtenstein, Malta oder Gibraltar eine Ausweichoption gefunden.

Auf der anderen Seite dieses Grabens hält man die Kritik und Sorge für wenig fundiert. Es stimme einfach nicht, dass sich Banken gegen die Krypto-Startups verschworen hätten. Es gebe genügend Beispiele von Blockchain-Unternehmen, die ohne Probleme ein Bankkonto haben eröffnen können. Sei das Projekt seriös, habe es einen Businessplan und verfüge über Ansprechpersonen in der Schweiz, stünde einer Kontoeröffnung nichts im Weg, so der Tenor auf der Gegenseite. Auch die Krypto-Nation Schweiz sei nicht wirklich in Gefahr. Jene Jungunternehmen, die der Schweiz den Rücken kehren würden, weil sie hier nicht bedient worden sind, seien kein wirklicher Verlust. Aus der Sicht dieser Blockchain-Pioniere sei die Tatsache, dass nicht Krethi und Plethi ein Bankkonto erhalten, positiv zu bewerten. Immerhin habe die Schweiz einen guten Ruf zu wahren, so ihr Fazit.

Banken in der Zwickmühle

Im Namen der Bankenwelt bezieht die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) Stellung und verweist dabei vor allem auf eine Problematik: Bei der Kontoeröffnung sowie -führung besteht die reale Gefahr der Geldwäscherei mittels Kryptowährungen. Da in der Schweiz punkto Finanzgeschäfte strenge gesetzliche Regelungen und Sorgfaltspflichten gelten, ist für Banken eine ausführliche Prüfung bei Unternehmen aus dem Krypto- und Blockchain-Bereich unerlässlich. Die Reputation von Bankhäusern hat mit der Krise von 2008 wohl ihren Tiefstand erreicht. Leistet man sich mit
Krypto-Assets noch so ein Fauxpas, dürfte das Genick definitiv gebrochen sein. Dass die Finanzinstitute deshalb übervorsichtig agieren, ist verständlich.

Nichtsdestotrotz ist man dabei, sich schrittweise an diese neue Welt heranzutasten, um letztlich alle Beteiligten zufriedenzustellen. Mit Mitgliedsbanken und unter Einbezug der Crypto Valley Association (CVA) hat die SBVg im Rahmen einer internen Arbeitsgruppe einen Leitfaden publiziert, der Banken in den Geschäftsbeziehungen zu Krypto-Unternehmen unterstützen soll. Konkret unterscheidet das Hilfspapier zwischen Blockchain-Firmen, die über ein Initial Coin Offering (ICO) öffentlich Kapital in Form von staatlichen Währungen oder Kryptowährungen beschaffen und Blockchain-Firmen ohne ICO. Während für erstere die Anforderungen sehr umfassend sind, «sollen Unternehmen, deren Geschäftsmodell Berührungspunkte zur Blockchain-Technologie hat, diese aber nicht zur Unternehmensfinanzierung nutzen, grundsätzlich nicht anders behandelt werden als andere KMU-Kunden, die ein Konto eröffnen wollen», schreibt die Bankiervereinigung in ihrer Medienmittelung.

Widersprüche entfachen Debatte

Es ist dieser eigentlich klare Punkt, bei dem einige Krypto-Unternehmen der Bankenwelt Widersprüchlichkeit vorwerfen: So gibt es mehr als nur eine Firma, die zwar Blockchain-Dienstleistungen anbietet, sonst aber nichts mit Kryptowährungen am Hut hat – und trotzdem bei Banken auf Widerstand stösst. Wie Betroffene berichten, wurden bestehende Geschäftskonten trotz Leasing und Kreditlinie – beides Hinweise auf eine geprüfte Seriosität des Unternehmens – durch eine Schweizer Grossbank plötzlich infrage gestellt. Auch ist bereits vorgekommen, dass eine andere Schweizer Grossbank ihre Meinung nachträglich geändert hat. Obschon einem Unternehmen anfänglich zugesichert wurde, dass selbst ICO-Gelder kein Problem darstellen würden, wurde die Kontoführung dann doch auf einmal hinterfragt. Und das, obschon die Kundenbeziehung bereits seit mehreren Jahren existiert.


«Mit der Professionalisierung des Blockchain-Sektors werden sich Banken gegenüber der Branche immer mehr öffnen.»


Letztlich scheint es in der Schweizer Krypto-Welt unterschiedliche Wirklichkeiten zu geben. Während einige Exponenten von Bankkonten und schriftlichen Zusagen für ein solches bei der Zürcher sowie Zuger Kantonalbank sprechen, sollen andere genau von diesen Instituten eine Absage erhalten haben. Ob dieser scheinbaren Diskrepanzen ist nachvollziehbar, dass darüber eine Debatte entbrannt ist. Der Versuchung, aus diesen Unstimmigkeiten bewusst Diskriminierung herauszulesen, sollte man jedoch widerstehen. Die Ungleichbehandlung resultiert vielmehr daraus, dass das eine Start-up über ein besseres Netzwerk verfügt, sich so beispielsweise einen angeseheneren Juristen leisten kann oder einfacher Zugang zur zuständigen Stelle hat. Auch wenn die Spiesse am Ende des Tages nicht gleich lang zu sein scheinen: Auf den Banken herumzureiten, dürfte diese nur noch mehr verärgern. Dass die Kritik irgendwann verstummen wird, ist offensichtlich. Mit fortschreitender Professionalisierung des Blockchain-Sektors wird der Zeitpunkt kommen, an dem sich das Gros der Banken die neugeschaffenen Opportunitäten in diesem Geschäftsbereich nicht länger werden entgehen lassen wollen.


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