«Es ist eine Art Kulturwandel im Gang»

Social Trading ermöglicht es nicht nur den Handelsstrategien von Profis zu folgen, sondern auch sich Rat in der Community zu holen. Andreas Braun nennt die Vorteile und Gefahren der neuen Form des Anlegens.

Text: Barbara Kalhammer

10×10  Herr Braun, der Austausch über Soziale Netzwerke wird auch für Anleger immer wichtiger. Eine Möglichkeit ist das sogenannte Social Trading. Was verbirgt sich dahinter?

Andreas Braun  Social Trading verbindet Social Media mit der Geldanlage. Anwendungen wie Facebook oder Twitter sind für viele von uns alltäglich geworden. Nun werden solche Features zunehmend auch für die Geldanlage oder das Trading eingesetzt. Das ist eine Art Kulturwandel, der bei der Geldanlage einsetzt.

Was genau sind die Möglichkeiten von Social Trading?

Die Anwendungen unterscheiden sich von Plattform zu Plattform. Ein wichtiger Aspekt ist das Social Sharing, also das Öffentlichmachen von Handelsstrategien. Das kennen viele bereits von Facebook, nur werden eben nicht Fotos oder Videos vorgestellt und diskutiert, sondern Handelsstrategien. Mittels Copy Trading kann bestimmten Tradern gefolgt werden.

Was fehlt vielen Plattformen noch?

Die Möglichkeit sich mit anderen Anlegern auf den Plattformen auszutauschen. Es wäre optimal, wenn die verschiedenen Anwendungen kombiniert würden, doch bislang ist das selten der Fall. So bieten wikifolio und auch ayondo zwar die Möglichkeit, Handelssignale zu kopieren, aber der Austausch mit anderen kommt bislang noch zu kurz. Sharewise hingegen hat eine sehr grosse Community.

Was macht den Erfolg von Social Trading aus?

Im Wesentlichen gibt es drei Entstehungsgründe. Der erste ist der Vertrauensverlust gegenüber den Banken, der durch die Finanzkrise noch verschärft wurde. Viele haben das Gefühl, dass die Berater die Produkte selber nicht verstehen, und die Vehikel bringen dann oftmals auch nicht die erhoffte Rendite. Darüber hinaus ermöglichen die heutigen Finanzprodukte wie ETF und Zertifikate eine Copy-Funktion. Durch ihre schlanke Kostenstruktur können sie einfach dafür eingesetzt werden, um Strategien abzubilden.

Und der dritte Grund?

Das sind die Sozialen Netzwerke, die in den vergangenen Jahren in den Alltag Einzug hielten.

Die Strategien der Profis sollten möglichst einfach abzubilden sein. Welche Produkte eignen sich dafür?

ETF sind beispielsweise bei wikifolio als Bestandteile einer Handelsstrategie erhältlich. Darüber hinaus gibt es Anbieter, die ein ETF-Portfolio im Angebot haben. Denkbar wäre auch, eine Strategie nicht über ein Zertifikat, sondern über einen ETF kaufbar zu machen. Bislang steht den Firmen noch die Höhe des benötigten ETF-Volumens im Weg. Die Produkte sind kostengünstig und bieten darüber hinaus den Vorteil, dass man auch auf fallende Kurse setzen oder die Kursentwicklungen hebeln kann.

Somit erfüllen sie genau den Zweck von Social Trading: eine höhere Rendite.

Richtig. Natürlich klappt das aber nicht immer. Ich habe bereits zahlreiche Trader kommen und gehen gesehen. Viele haben keine echte Strategie, die sie einsetzen. Bei fallenden Kursen beispielsweise kommen sie schnell an ihre Grenzen. Es gibt aber auch viele Händler, die kurzfristig orientiert sind und den Markt schlagen. Über einen längeren Zeitraum gelingt es ihnen jedoch selten.

Wie sollte man die Wahl des Traders angehen?

Anleger können sich die Risikostruktur genau ansehen. Es gibt Trader, die ihr gesamtes Geld in einen einzigen Titel investieren. Das kann einige Zeit gut gehen, aber es birgt ein hohes Klumpenrisiko. Anhand der Zusammensetzung des Portfolios können Anleger schnell erkennen, ob es mit ihrer eigenen Meinung übereinstimmt. Das sollte auch bei der Strategie der Fall sein. Ebenfalls beachtet werden sollten Risikokennziffern wie beispielsweise das Rendite-Risiko-Verhältnis und die Volatilität. Um zu sehen, ob der Trader seiner Strategie auch treu bleibt, ist letztlich ein permanentes Controlling nötig.

Ist hohe Transparenz ein weiterer Vorteil des Social Trading?

Sie ist ein wesentlicher Aspekt, den viele bei herkömmlichen Anlageprodukten wie Fonds oder Strategiezertifikaten vermissen. Weitere Pluspunkte sind der Community-Gedanke und die Unabhängigkeit der Trader.

Welche Rolle spielt der spielerische Umgang auf solchen Plattformen? Könnte dies zur Gefahr werden?

Den spielerischen Umgang finde ich eigentlich sinnvoll. Über Demo-Konten hat man die Möglichkeit, sein Talent vor einem richtigen Einsatz selbst zu testen. Wenn eher spielerisch orientierte Anleger ihre Handelsignale verkaufen wollen, kann das natürlich auch zum Misserfolg führen. Es ist an den Anbietern, eine klare Trennung zwischen Spielwiese und richtigem Handeln zu schaffen.

Hat ein Trader bereits viele Follower, springen immer mehr auf den Zug auf. Schnell läuft dann die ganze Herde in die gleiche Richtung. Ist das ein Risiko?

Das ist schwer zu sagen, aber sicherlich sollte man eine Strategie nicht einfach wegen einer hohen Zahl an Followern auswählen. Denn die Herde trampelt ganz gerne auch einmal in die falsche Richtung und springt schnell auf, wenn hohe Renditen locken. Das ist eine grosse Gefahr. Vielfach sieht man, dass Anleger einsteigen, wenn es nach oben geht. Sobald der Trader Verluste macht, springen sie ebenso schnell wieder ab. Dieses Herdenverhalten kennen wir auch gut von den Aktienmärkten und es sorgt eher für leere Kassen als für volle. Strategisch sinnvoller wäre es, die tieferen Kurse für Zukäufe zu nutzen.

Neben dem Folgen von Strategien können sich Anleger auch Ratschläge in der Community holen. Wird der Bankberater eines Tages überflüssig sein? 

Ich hoffe nicht, dass es soweit kommt. Vielmehr sollte sich die Bankberatung an den Entwicklungen orientieren, die Social-Media-Aktivitäten verstärken und den Anleger dort abholen, wo er sich aufhält. Und anstatt ihm irgendein Produkt verkaufen zu wollen, sollte er nach seinen Bedürfnissen gefragt werden. Klar ist, dass sich die nachwachsende Generation immer stärker im Internet beraten lässt, Produkte sucht und bewertet. Der Weg ist vorgezeichnet, es kommt nur darauf an, wie die Institute darauf -reagieren.

Warum traut man der Community eher als dem Banker?

Im Netz macht man die Erfahrung, unabhängige Einschätzungen zu finden. Über Holidaycheck beispielsweise erhält man auch ein relativ differenziertes Bild über ein bestimmtes Hotel. Ohne solche Plattformen wäre es nicht möglich, dieses Wissen zusammenzutragen und darauf zurückzugreifen. Aus dieser sogenannten kollektiven Intelligenz kann man sich die nötigen Informationen heraussuchen. Ein gewisses Mass an Vorsicht ist aber auch im Netz angebracht.

 

Was ist Social Trading 
Neue Online-Plattformen ermöglichen das Vernetzen von Anlegern und Händlern. Trader machen ihre Strategien  öffentlich und ermöglichen es Anlegern, ihre Empfehlungen und Signale selber umzusetzen.

Andreas Braun ist Journalist, Trader und Autor des Buches «Social Trading - simplified: Vom Know-How der Champions profitieren»
sentifi.com

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