Kampf der Währungen

Im Zuge der Coronakrise haben Zentralbanken auf der ganzen Welt zum Teil heftig interveniert. Allen voran die US-Notenbank hat in nur kürzester Zeit massiv Liquidität in die Finanzmärkte gepumpt und dabei ihre Bilanz gewaltig ausgeweitet.

Text: Pascal Hügli
Kampf der Währungen

Die geldpolitischen Interventionen waren Wasser auf die Mühlen zahlreicher Kritiker, die die Märkte und insbesondere den US-Dollar bis zur Unkenntlichkeit entstellt sehen. Mit sogenannten Memes wie jenem des «Money Printer Go Brrr» spotten Kritiker über die Handlungen des Fed, gleichzeitig beklagen sie – durchaus ernst gemeint – die Bedrohlichkeit und Ernsthaftigkeit der Lage.

Angesichts der enormen Gelddruckerei müsse der US-Dollar zwangsläufig an Wert verlieren. Eine Währung, die in beliebigen Mengen Geld aus dem Nichts schafft, könne doch nichts mehr wert sein, argumentieren sie.

Kampf der Währungen

Dass wir uns in geldpolitisch komplett unbekannten Gewässern befinden, dürfte heute kaum noch jemand bestreiten. Das Unverständnis und die Skepsis vieler Beobachter sind daher berechtigt. In der Kritik wird allerdings zu oft nur die Angebotsseite betrachtet – und die Nachfrage wird aussen vor gelassen. Währung werden jedoch nicht nur geschaffen, sie werden auch nachgefragt.

Eine Betrachtung dieser Seite fördert gerade beim US-Dollar scheinbar Paradoxes zutage: Die Nachfrage ging Mitte März durch die Decke. Finanzmarktteilnehmer aller Herren Länder haben versucht, ihre Dollar-Bestände zu erhöhen. Nicht zuletzt deshalb musste die amerikanische Notenbank überhaupt erst so stark intervenieren. Da fast niemand mehr Dollar kaufen wollte, wäre die Liquidität im Dollarmarkt ansonsten versiegt.

Dollarindex: Wie nachgefragt ist die US-Währung?

Wie die Zahlen zeigen, haben die Interventionen der US-Notenbank geholfen. So hat das Fed nicht nur Quantitative Easing (QE) betrieben und Repo-Interventionen getätigt, sondern ist mit Zentralbanken auf der ganzen Welt neue Swap-Lines eingegangen (Kurzerklärungen unten). Auf diese Weise gelang es insgesamt, die Dollar-Knappheit zu lindern.

Wichtige Begriffe kurz erklärt

Quantitative Easing (QE) Dabei handelt es sich um Massnahmen der sogenannten unkonventionellen Geldpolitik. Zentralbanken kaufen Staatsanleihen oder andere Finanzwerte (hauptsächlich hypothekenbesichertes Wertpapier), mit der Absicht Finanzliquidität in das System zu bringen.

Repo-Interventionen Durch sogenannte Repo-Geschäfte gehen Zentralbanken mit Finanzakteuren (hauptsächlich Banken) Rückkaufvereinbarungen ein. Dabei wird von den Zentralbanken gegen einen Zins und eine Besicherung (kurzfristig verzinste Staatspapiere) temporär Liquidität zur Verfügung gestellt.

Swap-Lines Mit Swap-Lines stellt die US-Notenbank anderen Notenbanken US-Dollar im Tausch gegen deren Inlandswährung zur Verfügung. Diese US-Dollar verwenden andere Zentralbanken dazu, der US-Dollar in ihrem Währungsgebiet nachzukommen.

Volkswirtschaftliche Erholung?

In der kurzen Frist – über die nächsten Wochen – dürfte der Dollar gegenüber anderen Währungen wie Euro oder CHF eher an Wert verlieren. Es zeichnet sich ab, dass der europäische Kontinent die Coronakrise besser meistern. Somit ist in unseren Breitengraden auch eine schnellere ökonomische Erholung zu erwarten.

Im Vergleich zu Aktienwerten, die sich bereits wieder fulminant erholten, haben der US-Dollar und andere Währungen in den vergangenen Wochen an Boden verloren. Um Aktienanteile des S&P 500 oder des Dow Jones zu kaufen, müssen bereits wieder viel mehr US-Dollar aufgewendet werden als noch Ende März. In diesem Sinne hat der US-Dollar gegenüber Vermögenswerten beträchtlich an Wert verloren.

Vor allem in der mittleren Frist ist davon auszugehen, dass sich diese Aktienpreisinflation fortsetzen wird, da die Opportunitätskosten von Liquidität in Cash oder Bonds laufend steigen.

Relativ am stärksten

Dass der US-Dollar mittelfristig von seiner monetären Inflationierung und dem «Money Printer go Brrr»-Meme eingeholt – und somit wertlos – wird, erscheint aufgrund seiner relativen Stärke dennoch unwahrscheinlich. Seine Position als Leit- und Reservewährung ist noch immer ungebrochen. Das zeigt sich auch bei den Kreditnehmern ausserhalb der Vereinigten Staaten. So erreichte die US-Dollar-Schuldenlast ausländischer Unternehmen laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) im vierten Quartal 2019 über zwölf Billionen US-Dollar.

Dieser globale Druck von Unternehmen, ihre in US-Dollar denominierten Schulden zu tilgen, wird die Nachfrage nach dem Greenback hochhalten. Mögliche Nachwehen der Coronakrise wie Lieferkettenunterbrüche, reduzierter Welthandel oder deflationäre Tendenzen wie beim Ölpreis könnten die Cashflows der Unternehmen bedrohen. Dadurch würde sich die Lage weiter verschlechtern.

Diesen Luxus hat der Euro nicht. Zwar ist er nach dem Dollar noch immer die zweitgrösste Reservewährung, doch die Nachfrage kommt weniger von ausländischen Kreditnehmern, sondern folgt vielmehr der Nachfrage nach Exporten aus der Eurozone. Eine Nachfrage, die innert Kürze wegbrechen kann, wie Covid-19 gezeigt hat. Nicht nur deshalb steht der Euro – obwohl die EZB ähnlich aggressive Gelddruckerei betreibt – gegenüber dem Dollar schlechter da.

Als Währungsunion mit immer grösseren wirtschaftlichen Divergenzen zwischen den Mitgliedern scheint die Zukunft der EU immer unsicherer. Ökonomische Stresssituationen haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass es innerhalb der Eurozone – insbesondere vom Süden in den Norden – vermehrt zu Kapitalflucht kommt.

Die Schweiz im Kreuzfeuer

Gegenwärtig wird diese Kapitalflucht durch die Europäische Zentralbank und das Target2-System (Zahlungsverkehrssystems des Eurosystems) aufgefangen. Weil dies auf Dauer nicht gutgehen kann, stehen Forderungen nach Eurobonds oder einer Fiskalunion im Raum. Dass die Probleme mit einheitlicher Fiskalpolitik nachhaltig gelöst werden können, ist allerdings unwahrscheinlich: Fiskalpolitische Massnahmen scheinen ausgereizt, längst sind geldpolitische Interventionen an ihre Stelle gerückt.

Oft übersehen wird auch die Tatsache, dass finanzkräftige Bürger vermehrt aus Staaten wie Deutschland oder Frankreich abwandern. Dass vermögende Produktivkräfte die EU und damit den EU-Währungsraum verlassen, ist ebenfalls kein gutes Zeichen für den Euro. Angesichts dieser Entwicklungen ist nicht auszuschliessen, dass die Stimulierungsmassnahmen in Europa stärkere Negativauswirkungen auf die Währung haben werden als die Massnahmen in den USA. Sollte der Euro relativ zu anderen Währungen tatsächlich an Wert verlieren, dürften Kapitalverkehrskontrollen eine logische Reaktion sein.

Schon heute schränken verschärfte Bargeldbestimmungen sowie neue Finanzmarktregulierung den Kapitalverlinkte Anzeige und Zahlungsverkehr Europas für Ausländer ein. Ein schwächerer Euro hätte auch Folgen für den Franken: Die SNB müsste stärker am Devisenmarkt intervenieren oder die Zinsen noch stärker ins Negative drücken. Letzteres wäre vor allem zum Nachteil hiesiger Banken – und somit der Kunden.


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