Russland den Rücken kehren

Sanktionen und Unsicherheiten bringen russische Aktien ins Trudeln. Das Verhalten der Indexanbieter lässt den Markt noch weiter in die Verlustzone rutschen.

Text: Barbara Kalhammer

Es ist bereits der zweite grosse Einbruch des russischen Aktienmarktes in diesem Jahr. Ein erstes Mal kamen die Werte im Zuge der Krim-Krise Anfang März unter Druck. Damals fiel der russische Index RDX innerhalb von drei Wochen um knapp 20 Prozent. Nach der anschliessenden kräftigen Aufholjagd kam nun der zweite Absturz. Innerhalb eines Monats lag der Verlust bei minus 13 Prozent. Seit Anfang Jahr büsste der Markt insgesamt 17 Prozent ein, die ETF auf den russischen Markt fielen zwischen 13 und 15 Prozent.

Aufgrund der hohen Unsicherheiten haben Investoren Gelder im grossen Stil abgezogen. Insgesamt flossen in den letzten zwei Monaten 400 Millionen Dollar aus den ETF ab. Wegen der Vorgänge in der Ukraine hat der Westen verschärfte Sanktionen gegen Russland verhängt. Präsident Wladimir Putin verhängte im Gegenzug ein einjähriges Einfuhrverbot für zahlreiche Agrarprodukte und Lebensmittel aus Ländern, die Strafmassnahmen gegen Moskau erlassen haben.

Belastend wirkten auch die Spekulationen, ob russische Aktien aus internationalen Indizes ausgeschlossen werden sollen. Denn sowohl im MSCI ACWI (All Country Index), im MSCI Emerging Markets als auch im MSCI Eastern Europe sind russische Titel enthalten. Bei letzterem beträgt ihr Anteil 70 Prozent, im breiten MSCI EM sind es knapp 4,6 Prozent. Hier zeigt sich der Nachteil des indexierten Investierens: Anders als ein aktiver Fondsmanager kann ein ETF sein Russland-Exposure nicht selber reduzieren.

Indizes ohne Russland

Der Indexanbieter MSCI hat bereits reagiert und zwei neue Indizes ohne Russland lanciert, den MSCI ACWI (All Country World Index) ex Russia und den MSCI EM ex Russia. Auch beim Anbieter FTSE werden scheinbar solche Schritte diskutiert. Ebenfalls stark unter Druck gerieten die Aktien der beiden mit westlichen Sanktionen belegten Banken Sberbank und VTB. MSCI überlegte, die Werte aus dem MSCI Russia Index zu nehmen, hat sich vorerst jedoch dagegen entschieden. Die Entscheidung für den Verbleib basiere auch darauf, dass keine der Banken derzeit die Ausgabe neuer Aktien plane, heisst es in der Mitteilung von MSCI.

Insgesamt ist der russische Aktienmarkt nicht zu verachten. Wie die Credit Suisse in einer Studie Anfang des Jahres schrieb, sind die makroökonomischen Rahmenbedingungen in Russland im Vergleich zu den meisten anderen Ländern sehr stabil. Das Land hat einen ausgeglichenen Haushalt, kein Leistungsbilanzdefizit und Devisenreserven von über 500 Milliarden Dollar. Das Interesse der Anleger basierte auf guten Wachstumsaussichten und hohen Dividendenrenditen. Zahlreiche Firmen weisen Dividendenrenditen zwischen sechs und neun Prozent auf. Doch trotz des guten Fundaments befinden sich die Märkte im Zangengriff der politischen Ereignisse. Solange der Konflikt nicht geklärt ist, werden das Risiko hoch und die Märkte volatil bleiben.


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