Kolumne
Adriel Jost
Dr. Adriel Jost  Partner und Geschäftsführer des Beratungsunternehmen WPuls

Fit für die Zukunft: Wenn sich die Welt ändert

Hohe Staatsdefizite und Zentralbanken, die das finanzieren – so die aktuelle Situation in allen grossen Währungsräumen. Was bedeutet das für ein Portfolio? Adriel Jost hat dazu einige Gedanken verfasst.

Die Corona-Krise ist in vollem Gange. Es ist noch nicht möglich, abschliessend zu beurteilen, welche langfristigen Konsequenzen diese Krise mit sich bringen wird. Die Welt wird zum Ausgang der Krise aber mit Sicherheit anders aussehen als noch zu Beginn des Jahres 2020. Dies gilt auch für Wirtschaft und Finanzmärkte – dem Umfeld für Anleger. So kamen die Zentralbanken weltweit noch näher an ihre Grenzen. Leitzinsen konnten in Japan, Europa und der Schweiz nicht mehr gesenkt werden. Die Bedeutung der Zentralbanken wurde aber nicht kleiner: In den grossen Währungsräumen fanden sie ihre Hauptrolle darin, eine expansive Fiskalpolitik zu ermöglichen.

Diese Fiskalpolitik wurde schon bereits zu Beginn der Krise so massiv eingesetzt wie sonst nur in Kriegszeiten. Mit dem weiteren Verlauf der Krise wird die Fiskalpolitik nachliefern müssen, um ein Abwürgen der Wirtschaft in einem denkbar schlechten Moment zu verhindern – damit aber die Verschuldung weiter explodieren lassen. Wohin diese Reise führen wird, sprechen auch Zentralbanker immer klarer aus. Der Präsident der Schweizerischen Nationalbank, Thomas Jordan, argumentierte kürzlich in einem Referat zum Thema «Was ist gutes Geld?» wie folgt: «Mit hohen Staatsdefiziten wächst erfahrungsgemäss auch der politische Druck auf die Zentralbank, und bei einer politisierten Geldpolitik ist die Gefahr gross, dass das Geld über kurz oder lang markant an Wert verliert.»

Hohe Staatsdefizite, aus denen es kaum einen Ausweg gibt, und Zentralbanken, die das finanzieren müssen – dies beschreibt exakt die aktuelle Situation in allen grossen Währungsräumen. Geld wird also «über kurz oder lang markant an Wert» verlieren. Sind die Portfolios auf solche disruptiven Ereignisse ausgerichtet? Es gibt verschiedene Gründe, warum Investoren sich noch scheuen, Anpassungen vorzunehmen.

Ein Grund ist: «Bislang ist alles gut gegangen». Mutige Schritte haben sich bisher noch wenig ausbezahlt. Wenn beispielsweise die Staatsanleihen bereits nach der Finanzkrise 2008 aus dem Portfolio verbannt wurde, hat sich das bis heute nicht ausbezahlt. Ein anderer Grund ist: «Die Änderungen weisen sich aber nachteilig aufs Portfolio aus»: Zukünftige Portfolios werden nicht mehr auf die Diversifikationsvorteile von Staatsanleihen zählen können, ohne dafür bezahlen zu müssen. Die Rolle, die Staatsanleihen in den letzten Dekaden in den Portfolios übernommen haben, kann nicht einfach mit anderen Anlageklassen ersetzt werden. Es müssen Kompromisse eingegangen werden, die bisher noch vermieden werden konnten. Die Volatilität und Abhängigkeit vom Aktienmarkt in den Portfolios werden steigen, ohne dass sich dies in höheren Renditen zeigen wird. Tiefere risikoadjustierte Renditen können also nicht verhindert werden.

Schritte zu unternehmen, die kurzfristig Nachteile mit sich bringen können und zu denen es noch keinen augenblicklichen Zwang gibt, sind nicht einfach. In unserer Einschätzung sind die Risiken, nichts zu tun, aber mittlerweile höher als die Risiken, die Depots den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Wir wissen, dass wir bereits heute in einer anderen Welt sind als in den vergangenen Jahrzehnten. «Konservatives Anlegen» wird sich als risikoreich erweisen. Es wird sich lohnen, die Anlagestrategie auf disruptive Szenarien auszurichten, indem die Wahl der Anlageklassen überarbeitet und das Portfolio auf verschiedene Szenarien robust optimiert wird. Auf veränderte Umstände nicht zu reagieren, ist die schlechtere Option.

*Dr. Adriel Jost ist Partner und Geschäftsführer des Beratungsunternehmen WPuls und unterstützt dabei Banken, Vermögensverwalter und Pensionskassen in ihrem Anlageprozess. WPuls ging im Sommer 2020 aus Wellershoff & Partners hervor.


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